daniliest
Der aktuelle Krieg in der Ukraine weckte bei mir den Wunsch, mehr über dieses Land, von dem ich ehrlich gesagt kaum etwas weiß, zu erfahren. Sowohl das Cover als auch der Klappentext von Erin Littekens Roman „Denk ich an Kiew“ haben mich angesprochen. Die Autorin erzählt hier von einer unfassbar schrecklichen Vergangenheit, die lange Zeit aus den Geschichtsbüchern verbannt war. In den 30er Jahren wurden ukrainische Bauern gezwungen, Kolchosen beizutreten. Wer sich wehte, wurde deportiert. Im Winter 1932 ließ Stalin die Menschen systematisch verhungern, in dem er ihnen den Zugang zu Nahrung verwehrte. Erzählt wird die Geschichte am Beispiel der jungen Katja, zunächst ein junges, fröhliches Mädchen voller Hoffnung, die buchstäblich durch die Hölle geschickt wird. Erin Litteken beschreibt das grausame Schicksal der Menschen sehr anschaulich und die Vorstellung, langsam zu verhungern und zu erfrieren lässt den Leser sehr betroffen und schockiert zurück. Katja beeindruckt mit viel Mut und Kraft. Ihre Entscheidungen waren für mich nachvollziehbar und ich habe mit ihr mitgelitten. Parallel dazu wird eine Gegenwartshandlung erzählt, in der Katjas Enkelin Cassie versucht, nach einem Schicksalsschlag, zurück ins Leben zu finden. Die Liebesgeschichte zwischen Cassie und Nick war sehr schön und romantisch. Die Szenen mit Nick und der 5-jährigen Birdie fand ich oft sehr süß. Allerdings hat mich Cassies Unentschlossenheit teilweise genervt. Gleichzeitig war diese ganze Beziehung auch sehr überstürzt. Allein für die Vergangenheitshandlung würde ich 5 Sterne vergeben. Die Gegenwartsgeschichte hatte zwar tolle und sympathische Charaktere (Cassie, Nick, Birdie, Anna und Bobby) und las sich angenehm und flüssig, aber die Handlung war teilweise sehr übertrieben dargestellt. Birdie ist ein putziges Mädchen, aber dass ein Kind, welches nach einem Trauma monatelang nicht gesprochen hat, von Null auf jetzt so quietschfiedel und unbeschwert ist, glaube ich nicht. Auf diese ganzen Botschaften aus dem Jenseits hätte ich auch gerne verzichtet. Auch die Wendung hinsichtlich Halyna war mir zu vorhersehbar. Etwas weniger dick aufgetragen hätte der Geschichte in jedem Fall gut getan. Auch wenn ich nicht die volle Punktzahl gebe, habe ich „Denk ich an Kiew“ gerne gelesen und mir aufgrund der gut recherchierten Schilderung über den Holodomor auch einiges daraus mitnehmen können.