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schnaeppchenjaegerin

Posted on 20.10.2022

"Frau in den Wellen" ist die Lebensgeschichte einer Frau, angefangen von ihrer Kindheit in Österreich in den 1960er-Jahren, bis als erwachsene Frau mit Anfang 50 Jahren im Jahr 2018. Auch wenn ihre Geschichte im Wesentlichen chronologisch erzählt wird, gibt es innerhalb der Kapitel zahlreiche Zeitsprünge in Form von Erinnerungen - bruchstückhafte Gedanken oder Episoden über Treffen mit ihren Freunden und Aufenthalte in verschiedenen Ländern - die ein flüssiges Lesen erschweren. Der Schreibstil ist nüchtern und distanziert, eher berichtend statt erzählend. So fällt es schwer, sich in Joni, die als so charismatisch und königlich beschrieben wird, hineinzuversetzen oder gar zu bewundern. Auch ihre beruflichen Erfolge und was sie umtreibt, bleiben vage. Der Handlungsstrang wird durch kursive Texte unterbrochen - mehrere Briefe über die Jahre hinweg, die an Joni gerichtet sind und wie eine Art Rechtfertigung zu lesen sind und eigentlich nur von ihr selbst stammen können. Die Geschichte plätschert dahin, ohne dass sie wirkliches Interesse für Joni oder ihr Leben wecken kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dasein zwischen Beruf und Mutter findet nicht statt. Joni zeigt wenig Empathie für ihre Familie und Freude, kümmert sich nur halbherzig um sie. Es ist dabei nicht so, dass ihr Beruf so erdrückend ist oder im Vordergrund steht - Joni kann es einfach nicht besser. Sie wirkt rastlos, heimatlos und getrieben. Auch wenn Joni als Frau, die sich scheiden lässt und die Erziehung der Kinder ihrem Exmann überlässt, nicht dem klassischen Rollenbild entspricht, in den 1990er-Jahren als Ausnahme gelten mochte und mit ihrem Verhalten in der Gesellschaft aneckt, ist ihre Lebensgeschichte langweilig geschrieben und gibt zu wenig Preis aus ihrem Leben als berufstätiger Frau und den Spannungen, die sich daraus ergeben. Lange sorgt einzig der Handlungsstrang "Dr. Joni Lanka vs. Unbekannt" für Interesse, der Einsichten von Dritten über Joni zeigt und dessen Hintergrund erst später bekannt wird. Dieser von Rechtspopulismus und Rassismus geprägte Konflikt ist eine Folge der Flüchtlingskrise 2015/2016 und nicht Ausprägung von Jonis Lebensentwurf, weshalb er zum Rest der Handlung nicht wirklich passen mochte und wie alle anderen Facetten des Romans nur oberflächlich bleibt. Der Klappentext weckt mit "mitreißende Geschichte einer willensstarken, unkonventionellen Frau, die stets auf dem Drahtseil zwischen Unabhängigkeit und Eingebundensein balanciert" hohe Erwartungen, die jedoch weder mit der Art der Erzählweise noch mit Jonis Persönlichkeit erfüllt werden.

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