susan kon
Diese Romantitel Beifang bezieht sich auf einen Ortsteil einer ehemaligen Bergbauarbeitersiedlung am Rande des Ruhrgebietes. Beifang bezieht sich auf die Siedlung bei einer noch heute existierenden Burg. Es ist ein Roman über eine Familie, in der das allgemein für die Zeit und den Ort, für die Gesellschaftsschicht Typische ins Extreme gesteigert wird. Damit wird das besondere Fiktionale und das allgemein Soziale so vermischt, dass es für die, die das Milieu nicht kennen, nicht klar wird, was real und was erfunden sein mag. Selbst die Figuren im Buch, die auf das angesprochen werden, was sie selbst oder Bekannte erzählt haben, reagieren vage und unbestimmt. So bleibt vieles selbst am Schluss des Buches unklar. Der Erzähler Frank möchte mit ca. 44 Jahren mehr über seinen Großvater, über sein Leben und über das, was vor Jahrzehnten zu seinem Tod geführt hat, erfahren. Dazu befragt er Verwandte, insbesondere die 12 Kinder seiner Großeltern. Nicht alle wohnen noch in Beifang wie sein Vater und sein bester Freund seit der Kindheit. Viele wohnen auch in anderen Teilen Deutschlands wie der Erzähler, der nach Berlin gezogen ist. Der Vater, Onkel und Tanten erzählen von häuslicher Gewalt, aber auch nette und lustige Anekdoten. Die Familie war im Ort verrufen als gewalttätig, unterstützte sich aber auch gegen die Gewalt anderer. Im Buch wird versucht die Gewalt des Großvaters durch Kriegserfahrungen, Kriegsgefangenschaft und Alkoholmißbrauch zu erklären. Dazu kommt Unzufriedenheit mit dem harten Job, Unfälle, Erkrankungen, zeitweise Arbeitslosigkeit. Aber er fotografiert gern und gut, Strafprügel führt er oft nur zum Schein aus. Die Großmutter ist enttäuscht von Ehemann und Kindern und lässt sie das spüren. Onkel Alf genießt heute im Sommer mit seiner Frau zusammen das Camping am Baggerloch Ternscher See, wo er jedes Jahr viele Monate verbringt. Der Vater Otto arbeitet beim örtlichen Müllentsorgungsgroßunternehmen im Büro, konnte sich ein Zechenhaus und Familienurlaub leisten. Aber erst sein Sohn Frank ist der erste aus der Familie, der Abitur macht und studiert. Die Kinder der Großeltern hatten nur die Volksschule besuchen können, mußten lokale Ausbildungsstellen annehmen, zogen schon als Jugendliche aus dem Elternhaus aus und heirateten meist früh. Sie haben sich mit ihrem Leben arrangiert. Nur Onkel Raffi wirkt aufbrausend. Vater Otto hat bewußt versucht, die Gewalterfahrungen seiner Kindheit zu verdrängen, um zu funktionieren. Zum Ende des Buches scheint allerdings nicht nur der Erzähler, sondern auch sein Vater einen kleinen Schritt Richtung Aufarbeitung gemacht zu haben. Der Erzähler gibt schließlich sein Erbe vom Großvater an seinen Sohn Vincent weiter, der nicht bei ihm, sondern bei der Mutter aufwächst.