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sursulapitschi

Posted on 19.10.2022

Dieses Buch ist eigentlich kein Buch sondern ein hübscher Gedanke und es fällt mir nicht leicht, eine Rezension zu einem hübschen Gedanken zu schreiben. Ovids Geschichte von Pygmalion kann man als Märchen konsumieren oder sich Gedanken machen. Madeline Miller hat sich berechtigte Gedanken gemacht und daraus eine neue Geschichte gesponnen. Bei Ovid bittet der Bildhauer Pygmalion die Göttin Venus darum, seine wunderschöne Statue lebendig zu machen. Venus erhört ihn, die Statue wird Pygmalions Weib, nur hat sie keiner gefragt, ob sie das auch möchte. Hier wird sie gefangen gehalten, eine Sexsklavin, die gelegentlich von ihrem Herrn aufgesucht wird, devot tut und sich ihren Teil denkt, ein viel realistischerer Ansatz als der von Ovid (wenn man es als gegeben nimmt, dass eine Statue lebendig wurde) (das hinterfragt niemand, ich sollte ein Buch schreiben). Das ist besagter Gedanke, der berechtigt ist und den man durchaus haben kann, wenn man sich mit antiken Geschichten befasst. Nur ist dieser Gedanke noch lange kein Buch, auch nicht, wenn er als Geschichte weitergesponnen wird. „Erzählung“ steht unter dem Titel, dem Verlag, den ich sehr schätze, kann man nicht vorwerfen, dass er eine interessante Kurzgeschichte mit Vorwort, Nachwort, Ursprung, Interpretation und auch noch mit Illustrationen versieht, um ein Buch draus zu machen und 20 Euro dafür verlangen zu können. Nur wird diese hübsch verzierte Erzählung dennoch als das neue Buch der Autorin beworben und wer nicht auf die Seitenzahl schaut und online bestellt, erfährt eine schön illustrierte Überraschung. Und dann hat uns Ovid ein Märchen hinterlassen, das Fragen aufwirft, klar, aber ehrlich gesagt ist es zwar von Ovid, aber eine aufregende Geschichte war es noch nie. Ist das den ganzen Aufwand wert? Bringt uns die Erkenntnis, dass antike Autoren sich nicht um Frauenrechte geschert haben, weiter? Soll diese Geschichte als Prunkausgabe in den Schulunterricht Einzug halten und Diskussionen zum Thema Selbstbestimmung der Frau entfesseln? Ein guter Gedanke ist gut, aber um ein Buch daraus zu machen, braucht es mehr als ein bisschen Deko. Sollte man sich vielleicht eher fragen, was ist ein Gedanke wert? Darf ein Gedanke mit Bildern 20 Euro kosten? Muss jeder Gedanke im Regal stehen und ist er das wert? Fragen über Fragen.

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