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hyperventilea

Posted on 17.10.2022

Hochdramatisch, packend, emotional - ein perfekter Schmöker „Irgendwann. Genau wie das Meer war das Wort immer da. Sie flüsterte es sich in Gedanken zu, wenn die Wirklichkeit sie zu erdrücken drohte. Es gab ihr Kraft, zu glauben, dass sich alles ändern konnte.“ Die junge Ava lebt mit ihren Zieheltern und deren Tochter 1892 auf dem Moorhof im Alten Land, jeden Tag schuftet sie extrem hart, nie ist ihr eine Pause vergönnt. Ganz plötzlich soll sich ihr Leben ändern, als ihr Ziehvater entscheidet, alles hinter sich zu lassen und nach Amerika auszuwandern. Leider kommt es ganz anders als erhofft. Ava muss ihren Traum von einem Leben in Amerika zunächst aufgeben. Sie ist gezwungen, in der Auswanderstadt in Hamburg zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Dort trifft sie auf die begüterte Claire Conrad, die aus ganz anderen Gründen in den Auswanderhallen mitarbeitet. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich allmählich an, doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu…. Miriam Georg schreibt angenehm flüssig und gut verständlich, meist in der dritten Person Vergangenheit aus der Sicht ihrer beiden Protagonistinnen. Zusätzlich werden noch Passagen in der ersten Person eingeschoben, Erinnerungen einer unbekannten Erzählerin aus der Vergangenheit. Wie diese Abschnitte mit der restlichen Handlung zusammenhängen, klärt sich im Verlauf. Aufgrund des unkomplizierten, klaren Schreibstil konnte ich mich sofort in die Handlung und die Personen hineinversetzen und war rasch von der Geschichte gefangen. Ava hat sich schon immer fortgeräumt. Doch in der Realität ergibt sie sich ihrem Schicksal, erträgt Ungerechtigkeiten, arbeitet besonders hart und unternimmt jede Anstrengung, um für sich eines Tages ein besseres Leben zu erreichen. Bei Claire stehen hingegen die Zeichen eher auf Rebellion und Auflehnung. Sie möchte sich nicht dem fügen, was ihre Mutter für sie bestimmt, ist willensstark, voller Leidenschaft und in Extremsituationen zu allem bereit. Obwohl Ava und Claire aus völlig anderen Welten stammen, nähern sich die beiden an. Mit Ava, die sich nicht unterkriegen lässt, litt ich mit. Claire hingegen, die auf ganz andere Art leidet, fordert heraus, ist verwöhnt, hat durchaus Ecken und Kanten. Ihre Persönlichkeit mag weniger „gefällig“ sein, ist aber umso interessanter. Mit der Auswahl ihren beiden vielfältigen Hauptfiguren hat Autorin Miriam Georg für mich ins Schwarze getroffen. Auch die männlichen Figuren passen gut in die spannende Personenkonstellation, Quint beispielsweise ist kein Held aus dem Bilderbuch, hat auch sehr dunkle Seiten, die ihn faszinierend machen. Einmal mehr zeigen sich die zwei Gesichter des historischen Hamburgs: Reichtum, Prunk, fast Dekadenz einerseits, harte Arbeit, Armut, Hoffnungslosigkeit und katastrophale Bedingungen andererseits. Überaus anschaulich beschreibt Miriam Georg die Zustände in den Hamburger Auswanderhallen, erschütternd und hautnah. Die Auswanderer hatten große Träume von einer besseren Welt, die von der erschreckenden Realität, von Hunger und Krankheit zerstört wurden und sich nicht selten zum Albtraum entwickelten. Die Geschichte um Ava und Claire hat mich bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen: hochdramatisch, fesselnd, voller Gefühle. Der erste Teil von „Das Tor zur Welt“ - Träume“ bietet alles, was ein perfekter Schmöker braucht. Nach „Elbleuchten“ und „Elbstürme“ erneut ein sehr lesenswertes Buch der zu Recht erfolgreichen Autorin.

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