Sofia :)
Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars! Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider. Aufmachung: Da es sich hierbei um eine Graphic Novel handelt, und bei einer solchen die Gestaltung eine wesentliche Rolle spielt, fließt die Aufmachung von „Demon in the Wood“ ausnahmsweise in meine Bewertung mit ein. Das ist aber auch gut so, denn die Graphic Novel ist sehr hochwertig gestaltet! Zwar zeichnet der Verlag das Buch als „Gebundene Ausgabe“ aus, während ich das Buch aus meiner laienhaften Sicht aufgrund der Flexibilität eher als Softcover bezeichnen würde, aber das ändert weder etwas an der Hochwertigkeit noch daran, dass ich den Preis von 18 € für mehr als gerechtfertigt halte. Ich würde sogar sagen, dass die Flexibilität dem Buch eher noch zugutekommt, da es so leichter in der Hand liegt, es sich besser öffnen lässt und man die Zeichnungen besser ansehen kann. Trotz seiner Biegsamkeit ist das Buch darüber hinaus fast so stabil wie ein „richtiges“ Hardcover, insofern sehe ich keine Nachteile. Auch im Inneren ist die Gestaltung sehr schön. Der farbige, gestochen scharfe Druck der einzelnen Seiten ist ebenso hochwertig wie das Äußere der Graphic Novel. Der Verlag hat zudem sehr dickes Papier verwendet, das nicht nur zur Robustheit des Buches beiträgt, sondern auch dafür sorgt, dass die Zeichnungen nicht durch die Seiten scheinen. All das würde meiner Meinung nach sogar noch einen höheren Preis rechtfertigen! Der Zeichenstil, der ein bisschen an den der „Avatar: Der Herr der Gezeiten“-Comics erinnert, gefällt mir persönlich super, man erkennt sowohl den Dunklen als auch Baghra auf Anhieb, und Emotionen, Gestiken und Mimiken sind sehr ausdrucksstark dargestellt. Dabei beweist Dani Pendergast auf jeder Seite sehr viel Liebe zum Detail auch in Bezug auf den Hintergrund; selbst wenn in den einzelnen Kacheln inhaltlich gerade nicht viel passiert, braucht es doch seine Zeit, bis man alle Einzelheiten wahr- und aufgenommen hat. Das macht die Graphic Novel zu einem Kunstwerk, das anzuschauen viel Freude bereitet, auch noch nach dem ersten Lesen. Bei einer Graphic Novel ist es mir darüber hinaus wichtig, dass Bilder und Geschichte ineinandergreifen, sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Wenn dem nicht so ist, brauche ich nicht unbedingt visuelle Unterstützung, dann reicht mir eine einfache Kurzgeschichte. Hier ist es aber gerade so, dass die Kurzgeschichte über den Darkling, die man, soweit ich weiß, ja nun schon etwas länger lesen kann, durch die Zeichnungen von Pendergast in eben diesem Sinne ergänzt wird. Die Figuren, aber auch die Erzählung an sich erhalten durch die graphische Begleitung mehr Substanz und vor allem mehr Emotionalität. Dadurch fällt es auch dem Leser leichter, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Die Bilder erzählen selbst eine Geschichte, die durch die Worte Bardugos ausgeschmückt werden, und umgekehrt. Die künstlerische Leistung von Dani Pendergast und das literarische Werk von Leigh Bardugo greifen also ineinander und ergänzen sich gegenseitig. Inhalt: Anders als viele andere Grishaverse-Fans muss ich zugeben, dass ich kein großer Freund des Dunklen bin. Bereits in der Trilogie ist er ein hervorragend ausgearbeiteter Villain, das stelle ich gar nicht infrage! Auf menschlicher Ebene finde ich ihn allerdings grauenhaft und alleine schon wegen seiner Grooming-Tendenzen nicht nur in Bezug auf Alina, sondern auch bei Zoya und Genya (und bestimmt noch anderen jungen Frauen) sehr unsympathisch. Trotzdem habe ich mich riesig auf diese Graphic Novel gefreut, alleine schon, weil sie aus der Feder von Leigh Bardugo stammt und eine Ergänzung des Grishaverse ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass ich vorher die Befürchtung hatte, dass durch diese Vorgeschichte die Taten des Dunklen relativiert werden und seine Figur dadurch einen kleinen redemption arc erhält. Das hätte mir persönlich überhaupt nicht gefallen, zum einen, da es auch die Mahnung der Autorin an die Leser in Bezug auf Charaktere wie seinen relativiert hätte. Zum anderen und vor allem aber, weil in dem Falle dann auch die Charakterentwicklungen von Alina, Zoya und Genya zumindest zum Teil zunichte gemacht würden, da sie ja sehr stark darauf basieren, dass sie es schaffen, sich vom Dunklen zu lösen und sich gegen ihn zu wehren. Das wäre praktisch sinnlos, wenn man aus der Graphic Novel die Message mitbekommen würde, dass der Dunkle und seine Taten „ja doch gar nicht so schlimm“ waren. Dazu würde ihn dann zu einem gewissen Grad viktimisieren und ihn der Verantwortung entziehen. Darüber hätte ich mir bei Leigh Bardugo aber eigentlich keine Sorgen machen müssen, denn natürlich passiert dies in dieser Graphic Novel nicht. Der Darkling bleibt der Darkling, seine späteren Taten werden nicht relativiert und er ist auch weiterhin der Böse der Geschichte. Trotzdem schafft die Autorin es, dass man hier mit ihm als Protagonisten sympathisiert, seine Handlungen (auch die späteren) besser nachvollziehen und sich in ihn hineinversetzen kann. Er wird dadurch nicht viktimisiert oder zum Helden gemacht, stattdessen wird er als Bösewicht der Trilogie nahbarer, er wird menschlicher und als Figur insgesamt runder. Durch diese Kurzgeschichte bekommt der Dunkle eine stärkere Basis, einen besseren Hintergrund also. Man versteht nun, wie es dazu kommt, dass er die Zweite Armee und den Kleinen Palast gründet, und man kann sehr gut nachvollziehen, wieso er so extrem und fanatisch in seinen Ansichten ist. Der Dunkle ist kein Held, aber er ist der Held seiner eigenen Geschichte, und das zeigt diese Graphic Novel sehr gut; sie ergänzt seinen Charakter, statt ihn zu verändern, und auch, wenn man sich nun besser in ihn hineinversetzen kann, bleibt er die gleiche Figur. Die Gratwanderung zwischen Charakterausbau und Relativierung der späteren Taten der Figur, die zur Charakteränderung führt, der sich Autor*innen bei Vorgeschichten gerade über ihre Bösewichte stellen müssen, ist Leigh Bardugo hier also hervorragend gelungen. Ähnliches gilt im Übrigen für die Welt des Grishaverse. Ohne irgendwelche Widersprüche zu ihren früheren Werken zu schaffen, gelingt es Leigh mit dieser Kurzgeschichte über den Dunklen, das Universum selbst weiterzuentwickeln. Man bekommt hier einen Einblick darin, wie das Leben für Grisha in Ravka, insbesondere an der Grenze zu Fjerda vor der Sicherheit, die der Kleine Palast und die Zweite Armee für die Grisha bedeuten, gewesen sein muss: Sie waren durchweg auf der Flucht, die Menschen haben ihnen nicht vertraut, sondern sie gefürchtet und deshalb gejagt. Es gab keinen Ort, an dem die Grisha sicher waren. Die Hoffnungslosigkeit dieser Situation und wie es ist, so leben zu müssen, wird hier sehr gut dargestellt. Darüber hinaus hat mir hier auch sehr gut gefallen, wie diese beiden Aspekte ineinandergreifen: Der Dunkle und die Welt des Grishaverse bekommen nicht nur losgelöst voneinander mehr Kontext. In dieser Kurzgeschichte wird auch deutlich, wie beides einander bedingt: Die Art der Lebensumstände ist der Grund dafür, aus dem sich der Dunkle als junger Grisha zu dem entwickelt, den wir in der Trilogie kennenlernen, und der dann schließlich mit seinen Handlungen wiederum die Welt des Grishaverse verändert. Das kennt man aber von Leigh Bardugo: Wieder einmal wird deutlich, wie stark hier alles ineinandergreift, wie riesig, durchdacht und tiefgreifend das Grishaverse tatsächlich ist und wie viel Potenzial dem noch innewohnt. Dies immer wieder aufs Neue zu beweisen, ist eine großartige Leistung, die ein wesentlicher Grund dafür ist, weshalb Leigh Bardugo zu meinen Lieblingsautor*innen zählt! Abschließend weise ich aber einmal darauf hin, dass man zwar grundsätzlich die Graphic Novel als „nullten“ Teil des Grishaverse sicherlich als erstes lesen könnte, wenn man die Welt in chronologischer Reihenfolge kennenlernen möchte. Ich glaube aber trotzdem, dass es sinnvoller ist, jedenfalls die Trilogie vor dieser Kurzgeschichte zu lesen, da man dann mit der Welt und ihren Regeln etwas vertrauter ist und so auch in der Graphic Novel Vieles mehr Sinn ergibt. Hinsichtlich des Magiesystems und seiner Regeln sowie des Weltenbaus wird hier nämlich nichts erklärt, was aber auch gar nicht Sinn dieser Graphic Novel ist – sie ist eben „nur“ eine Ergänzung des Grishaverse, dafür aber eine sehr starke. Fazit: Wie erwartet liefert Leigh Bardugo mit ihrer neuesten Ergänzung zum Grishaverse wieder einmal ein Highlight. Meine anfängliche Angst, „Demon in the Wood“ könnte auf einen redemption arc für den Dunklen oder eine Relativierung seiner Taten hinauslaufen, bestätigt sich (natürlich) nicht. Zwar sorgt die Graphic Novel durchaus dafür, dass man sich besser in den Dunklen hineinversetzen und mit ihm (oder zumindest seinem früheren Ich) sympathisieren kann. Dies allerdings ohne, dass er anders oder völlig neu charakterisiert wird als in der Trilogie, in der er ohne Zweifel der Bösewicht ist. Er ist kein Held, aber er ist der Held seiner eigenen Geschichte, und das hat Leigh hier wunderbar verdeutlicht. Darüber hinaus erweitert die Graphic Novel nicht nur seinen Charakter, auch die Welt des Grishaverse bekommt mehr Substanz, und die Reihe wird toll ergänzt! Schließlich ist die Graphic Novel mit dem ausdrucksstarken, detailreichen Zeichenstil, der die Geschichte visuell unterstützt und erweitert, sowie der hochwertigen Aufmachung seitens des Verlages auch optisch ein Hingucker. 5/5 Lesehasen.