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dorli

Posted on 4.10.2022

In ihrer Familiensaga rund um das im nördlichen Brandenburg gelegene Schloss Liebenberg nimmt Hanna Caspian ihre Leser mit in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts und erzählt aus der Perspektive der Dienstboten von der Harden-Eulenburg-Affäre, die zu einem der größten Skandale des deutschen Kaiserreiches wurde. Die Handlung dieses ersten Bandes beginnt im Sommer 1906. Adelheid Schaaf, 18-jährige Tochter eines Tagelöhners, kann ihr Glück kaum fassen - sie soll auf Anordnung des Fürsten neues Stubenmädchen im Schloss werden und dass, obwohl sie über keinerlei Erfahrung als Hausangestellte verfügt. Adelheid ist klar, dass Neid und Missgunst auf sie warten, denn unter den Dienstboten herrscht eine strenge Hierarchie, in der man sich normalerweise über die Jahre hinweg Stufe für Stufe hocharbeiten muss. Und so wundert es eigentlich niemanden, dass das Hausmädchen Lydia Keller, die sich entsprechend der Rangfolge Hoffnung auf die höhere Stelle als Stubenmädchen gemacht hatte, nicht müde wird, Adelheid zu piesacken wo es nur geht. Neben der Eulenburg-Affäre sind es vor allen Dingen die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der kleinen Leute in der von großen sozialen Klassenunterschieden geprägten Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs, die Hanna Caspian in den Vordergrund ihres Romans rückt. Arbeiten bis zur Erschöpfung für einen geringen Lohn, strenge Benimmregeln und immer der Willkür der Herrschaft ausgesetzt - so sah der Alltag für Adelheid, Constanze, Viktor und die anderen Bediensteten auf Schloss Liebenberg aus. Nicht zu vergessen die persönlichen Sorgen und Probleme in ihren jeweiligen Familien. Hanna Caspian hat mich mit ihrer Greifenau-Saga begeistert. Entsprechend vorfreudig war ich auf den Start dieser neuen Reihe - und bleibe nach dem Lesen des ersten Bandes recht zwiegespalten zurück. Die Autorin hat ein gutes Händchen für Figuren und versteht es zudem ganz ausgezeichnet, auch eine große Anzahl Akteure zu koordinieren, das hat sie bereits eindrucksvoll bewiesen. Es ist schade, dass sie dieses wunderbare Talent hier nicht ausgeschöpft hat. Die meisten der Liebenberger-Figuren sind eindimensional und entwickeln sich kaum. Es ist mir schwer gefallen, mit ihnen mitzufiebern und mitzufühlen. Hinzu kommt, dass es kein lebhaftes Zusammenspiel gibt, sondern mehrere „Einzelkämpfer“, die sich durch Eifersüchteleien, Geheimnisse, Schikanen und Intrigen das sowieso schon schwere Leben noch schwerer machen. Das ganze Miteinander oder eben auch Gegeneinander des Personals war durchweg nicht so ausgefeilt, wie ich es erwartet hatte. Gestört haben mich auch die vielen Wiederholungen. Ereignisse und Gegebenheiten werden mehrfach erwähnt und ganz besonders die schwierigen Lebensumstände der Protagonisten werden wieder und wieder aufgegriffen - das trübt die Lesefreude. Gut gefallen hat mir dagegen der historische Hintergrund. Die Fakten zur Eulenburg-Affäre, die politische Entwicklung und die damals geltenden gesellschaftlichen Konventionen sorgen für Authentizität und bereichern die Handlung. „Schloss Liebenberg. Hinter dem hellen Schein“ konnte mich nicht so fesseln, wie ich es mir erhofft hatte.

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