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Londres, 1898. Der 43-jährige Joe Tournier steigt am Gare du Roi aus dem Zug und ist verwirrt - er weiß zwar, wie er heißt, kann sich aber ansonsten an nichts erinnern. Dinge, die ihm bekannt sein sollten, kommen ihm völlig fremd vor. Bahnhöfe und Straßen haben französische Namen, dabei befindet er sich doch in England. Oder? Der verstört wirkende Joe wird in eine psychiatrische Klinik gebracht und erfährt, dass er an einer besonderen Form der Epilepsie erkrankt ist. Per Zeitungsannonce wird nach möglichen Angehörigen gesucht und tatsächlich meldet sich jemand - Monsieur Saint-Marie. Dieser erklärt, dass Joe schon von Kindesbeinen an als Leibeigener in seinem Haushalt lebt. Sogar verheiratet ist er. Doch weder Joes vermeintliche Ehefrau noch sein angebliches Zuhause helfen, den Schleier des Vergessens zu lüften. So gehen einige Monate ins Land. Joe ist mittlerweile ein freier Mann, an seinem Zustand hat sich allerdings nichts geändert. Im Gegenteil, eine rätselhafte Postkarte mit einem abgebildeten Leuchtturm und der Nachricht: „Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.“ befeuert seine Verwirrung noch. Nicht nur, dass die Karte vor über 90 Jahren abgeschickt wurde, macht Joe stutzig, auch, dass ihm der Turm - dieser befindet sich auf der Insel Eilean Mor, die zu den Äußeren Heriden gehört - so vertraut vorkommt, empfindet Joe als sehr seltsam. Auf der Suche nach Antworten landet Joe in einer Werkstatt für Leuchtturmgeneratoren. Hier bekommt er zwar keine neuen Hinweise, dafür aber eine Anstellung als Schweißer. Zwei Jahre später beschert ein Reparaturauftrag Joe überraschend die Möglichkeit, den Dingen und damit auch seiner Identität auf den Grund zu gehen. Zuversichtlich reist er nach Schottland, nicht ahnend, dass ihm das eigentliche Abenteuer noch bevorsteht… „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ ist ein History-Fantasy-Mix, der sehr anschaulich erzählt wird und mich mit seiner abwechslungsreichen Handlung begeistert hat. Schon nach wenigen Seiten war ich gefesselt von Joes Erlebnissen und habe gespannt das Geschehen verfolgt. Natasha Pulley thematisiert in diesem Zeitreiseroman den Schmetterlingseffekt aus der Chaostheorie. Dieser besagt, dass selbst kleinste Veränderungen in der Vergangenheit immense Auswirkungen auf die Zukunft haben können. Die Autorin nutzt als Fundament für ihre Geschichte die napoleonischen Kriege. Die historischen Fakten rund um die turbulenten Seeschlachten zwischen England und Frankreich im frühen 19. Jahrhundert hat sie auf spannende Weise mit fantasievoller Handlung vermischt und lässt so eine alternative Realität vor den Augen des Lesers entstehen - eine Realität, in der die Franzosen siegreich aus dem Krieg hervorgegangen sind und England besetzt haben. Eine Realität, die Joe Tournier so furchtbar falsch vorkommt. Natasha Pulley steckt nicht nur viel Aufmerksamkeit in die Beschreibungen der Handlungsorte, die feine Charakterisierung der Figuren und die facettenreichen Schilderungen des Geschehens, sie spart auch nicht an Emotionen, so dass man prima mit Joe und seinen Wegbegleitern mitfiebern und mitfühlen kann. Eine Liebesgeschichte gibt es auch, diese verläuft aber über die Zeiten hinweg eher im Hintergrund. Man sollte sich für das Buch ausreichend Zeit nehmen. Die Geschichte ist durch die verschachtelten Zeitebenen sehr komplex und erfordert konzentriertes Lesen, um den Faden nicht zu verlieren. „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ hat mir sehr gut gefallen - es hat Spaß gemacht, Joe auf seiner ereignisreichen Reise durch die Zeiten zu begleiten.