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Buchdoktor

Posted on 2.10.2022

„Bei Gegenwind loslaufen“ – was für ein bildhaftes Motto für ein Buch über die Herausforderung, mitten in der Covid-19-Pandemie an Brustkrebs zu erkranken, war mein erster Gedanke. Der nächste: endlich würdigt eine Betroffene die Stärke von Menschen, die während Lockdown und Kontaktverboten eine schwere Erkrankung bewältigten. Katrin Lange blickt auf eine Häufung von Krebserkrankungen in ihrer Familie zurück und hatte schon immer das ungute Gefühl, dass die Krebsvorsorge für junge Frauen wie sie nicht engmaschig genug sein könnte. Die Diagnose Brustkrebs trifft sie – trotz regelmäßiger Kontrolle – mitten im Leben und katapultiert sie in ein Gesundheitssystem, dessen Schwächen während der Pandemie besonders deutlich hervortraten. Wer im Krankenhaus und in der Reha keinen Besuch bekommen darf, muss selbst als Motivatorin aktiv werden, so ihre nüchterne Erkenntnis. Wie sie Therapien, Reha, Selbstzweifel und private Konflikte als Challenge angenommen hat, erzählt sie in der Ichform mit eingeschobenen, farblich abgesetzten Informationsabschnitten, auch in Ichform. Neben medizinischen und organisatorischen Fakten kommen Langes Ängste als Angehörige einer besonders verletzlichen Risikogruppe zur Sprache, sie würdigt die Unterstützung in ihrem sehr zugewandten Brustkrebszentrum und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Konflikte mit Angehörigen und wohlmeinenden Mitmenschen geht. Inhaltlich hat Katrin Lange ein ungeheuer ermutigendes Buch geschrieben, das besonders Angehörigen Betroffener vermitteln kann, warum Krebserkrankte nach OP und Therapien nicht automatisch wieder „wie vorher“ sein können. Sie spricht die Konflikte offen an, die sich daraus ergeben und ermuntert ihre Leserinnen, das ebenfalls zu tun. Die Entscheidung, „auf welchem Tisch“ das Buch in Buchhandlungen präsentiert werden kann, finde ich schwierig, Erlebnisbericht und Sachinformationen halten sich die Waage, die “blauen“ Infotexte als Download finde ich vorbildlich. In Gedanken lege ich es auf den Tisch Aktuelle Sachbücher. Zugegeben, ich war zunächst skeptisch gegenüber einem Buch über eine Krebserkrankung aus einem bisher unbekannten Kleinverlag. Gefunden habe ich den makellosen Sachtext einer geübten Autorin, der auch optisch niederschwellig gestaltet ist und daher mehr Leserinnen erreichen kann als eine eintönige Bleiwüste. Wie maßgeschneidert für Erkrankte mit Konzentrationsproblemen wird das Lesen so weit wie möglich erleichtert: Hardcover mit lesefreundlichem Seitenlayout, private Farbfotos, Auflockerung durch Instagram-Beiträge, Gliederung durch zwei Schriftfarben, farbige Hintergründe – weiße Schrift auf Orange wirkt allerdings wenig lesefreundlich. Ein ermutigendes Buch mit dem Alleinstellungsmerkmal Krebserkrankung mitten in der Covid-Pandemie; im Brustkrebs-Monat Oktober hochaktuell.

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