Gabriele
Mit „Isidor“ setzt Shelly Kupferberg ihrem Großonkel ein Denkmal. Akribisch suchte sie in Archiven und Museen nach Hinweisen auf sein Leben. Fündig wurde sie vor allem in Briefen, die sie auf dem Speicher der Wohnung ihres Großvaters in Israel fand. Geboren 1876 und aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen in einem galizischen Kaff hat sich Israel, wie Isidors Taufname lautete, zu einem Multimillionär in Wien hochgearbeitet. Er unterstützte seine vier Geschwister, war begeistert von der Kunst und lebte wie ein Dandy. Bis am 11. März 1938 die Hakenkreuzfahne auf dem Wiener Rathaus aufgezogen und Isidor nur drei Tage später verhaftet wurde. Nach und nach wurde sein Vermögen beschlagnahmt, besonders wertvolle Kunstgegenstände konfisziert. Während Kupferbergs Großvater Walter, der viel Zeit mit seinem Onkel verbrachte, noch rechtzeitig nach Palästina ausreisen konnte, verpasste Isidor den Absprung und starb am 16. November völlig entkräftet mit nur 52 Jahren. Er war zuerst materiell, dann physisch ausgelöscht worden. Shelly Kupferberg (*1974 in Tel Aviv geboren und in Berlin aufgewachsen) ist eine bekannte Moderatorin. In ihrem Buch hat sie das Wiener Leben zu Beginn des 20.Jahrhunderts plastisch beschrieben. Sie macht uns mit jüdischen Bräuchen und Lebensgewohnheiten bekannt, bevor sie die Stimmung beschreibt, die sich während des Nationalsozialismus gegen die Juden aufbaute und in unvorstellbaren Grausamkeiten mündete. Diese Biografie lässt sich gut lesen und gibt einen Einblick in die damalige Zeit. An manchen Stellen kam sie mir wie eine Abrechnung vor, in der die Wut über das Schicksal ihrer Ahnen größer war als der Schmerz darüber.