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mabuerele

Posted on 24.9.2022

„...Elly schloss die Augen. Die Frau auf der Bühne war keine Erscheinung. Die Frau auf der Bühne war aus Fleisch und Blut, war lebendig. Und Elly bildete sich ein, den schweren Duft von Maiglöckchen zu riechen...“ Das Zitat stammt aus dem Prolog des Buches. Er spielt im Jahre 1957 und setzt in gewisser Weise den Schlusspunkt unter die Geschichte. Angefangen hat alles im Jahre 1938. Die Autorin hat einen berührenden Roman über Mut und Zivilcourage geschrieben. Es ist kein einfacher Stoff. Der Schriftstil ist ausgereift und sorgt an vielen Stellen für eine besondere Eindringlichkeit. „...Sie lehnte sich bis zum Bauchnabel hinaus, lauschte in die Dunkelheit. Stille. Keine Straßenbahn, kein Auto zu hören, kein Fußgänger zu sehen. Nicht einmal eine streunende Katze sprang durch den Vorgarten...“ Wenige Minuten später werden die jüdischen Eheleute Hanns und Sara Sternberg von der Gestapo abgeholt. Zu der Zeit hat Elly deren kleinen Sohn Leon auf ihren Zimmer. Sie gibt ihn als ihr Kind aus. Elly, Pfarrerstochter aus Bonn, hatte bei Sara als Köchin, Haushaltshilfe, Kindermädchen gearbeitet. Sie fühlte sich dort wohl. Jetzt aber verlässt sie heimlich mit dem Jungen das Haus. Hanns hatte eine Ausreise immer abgelehnt. Er fühlte sich als Neurologe sicher. Elly schätzt ihn so ein: „...Vielleicht konnte er als analytischer Geist nicht um die Ecken denken. Nur das Messbare hatte für ihn einen Wert. Aber die Welt war nicht schwarz oder weiß...“ Elly kehrt mit Leon zurück in ihr Elternhaus. Von dort flieht sie Neujahr 1939. Der Vater ist nicht bereit, den Jungen zu akzeptieren. Ihm ist Ellys Sicherheit wichtiger als das Leben des Kindes. Für Elly aber zählt nur eins. Sie wird sich um den Jungen kümmern, bis der zu seinen Eltern zurück kehren kann. Diesem festen Willen ordnet sie ihr weiteres Leben unter. „...Sie spürte eine Quelle im Herzen, die sprudelte für Leon, für sonst nichts und niemanden. Ihr Entschluss stand fest, wurde mit jedem Gedanken, mit jedem Schritt stärker: Sie würde Leon beschützen...“ Auf beeindruckende Weise wird erzählt, wie Elly die Kriegsjahre übersteht. Sie findet eine Heim und Hilfe bei Menschen, bei denen sie es nie erwartet hätte. Nach dm Krieg kehrt sie nach Berlin zurück. Leben Leons Eltern noch? Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Er zeigt, wozu Liebe fähig ist, aber auch, welche Folgen das für das Leben haben kann.

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