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Fragen "Intimitäten" von Katie Kitamura ist ein intensives Buch mit einer nach der richtigen Entscheidung suchenden und dabei sehr schwankenden Protagonistin. Eine Protagonistin, die es der Leserschaft mit diesem Verhalten nicht leicht macht, die aber dennoch von der Autorin authentisch und nachvollziehbar geschildert wird. Die namenlose Ich-Erzählerin verlässt New York und geht nach Den Haag, um dort am Internationalen Gerichtshof zu arbeiten. Sie schwankt, ob diese Entscheidung richtig war und dieser anspruchsvolle Job zu ihr passt. Ebenso fragt sie sich, ob Den Haag ein neues Zuhause werden kann. Als dann der charmante und charismatische Adriaan in ihr Leben tritt, scheint erst einmal alles perfekt, doch auch hier tun sich nach und nach Fragen auf. Denn Adriaan muss nach Portugal zu seiner Noch-Ehefrau reisen, er muss einiges klären. Doch seine Rückkehr verschiebt sich und so ist die namenlose Ich-Erzählerin gefangen in ihren Fragen, in ihrer Suche nach der Wahrheit. Nicht nur in ihrem Job, der sie mit verabscheuungswürdigen Verbrechen an der Menschheit konfrontiert, sie in einen Kontakt mit den Tätern treten lässt, der ja mit den Mitarbeitern des Gerichtshofes etwas macht, sucht sie nun nach der Wahrheit. Entweder man härtet sich dort gegen die Taten dieser Monster ab und stumpft in den Augen der namenlosen Ich-Erzählerin ab oder man zerbricht an diesem Wissen, man zerbricht an der Realität des Menschseins. Diesen Gedankengang fand ich etwas eigenwillig, natürlich auch nachvollziehbar, aber genauso auch eigenartig. Bevor ich einen Job am Internationalen Gerichtshof in Den Haag annehme, muss ich mir doch darüber im Klaren sein, welche Fälle dort verhandelt werden und was dies mit mir machen könnte. Genauso wie die Annahme, dass die Mitarbeiter dort abgestumpft sind, wenn sie nicht mehr so intensiv darauf reagieren wie sie selbst, recht abwegig, wie auch negativ bewertend ist. Dem stimme ich überhaupt nicht zu! Und dieser Gedankengang hat mich auch gestört, massiv gestört. Man kann meiner Meinung nach nicht davon ausgehen, dass jemand, der in einem Job arbeitet, der ihn mit den dunklen Eigenschaften des Menschen konfrontiert, und der nicht sofort hochgradig emotional darauf reagiert, seelisch abgestumpft ist. Eine Nichtreaktion bedeutet nicht, dass derjenige nicht mehr emotional darauf reagiert, sondern dass derjenige sich nur nicht dazu äußert. Was jeder dortige Mitarbeiter dazu denkt, wird sich nicht von der emotionalen Denke der Ich-Erzählerin unterscheiden, dies denke ich zumindest, denn ich vermute sonst kann man gar nicht dort arbeiten. Auch ihre Gedanken zum Thema Adriaan fand ich etwas eigen. Ich mache doch mein positives Befinden nicht nur am Lebenspartner fest. Natürlich ist es schön mich zu verlieben, zu lieben, geliebt zu werden. Aber mein positives Befinden hängt mit mir/mit meiner Zufriedenheit zusammen. Und wird nicht von einem Mann bestimmt. Dies kann eine positive Zugabe sein, ja, definitiv. :-) Aber wenn man diese meine Überlegungen zu dem Buch "Intimitäten" sieht, merkt man ja, dieses Buch ist gut, es hat etwas mit mir gemacht, mich zum Sinnieren gebracht, mir die Überlegungen/die Gedanken einer anderen Frau nahegebracht und ich habe dazu meine Vergleichsüberlegungen anstellen können.