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Babscha

Posted on 15.9.2022

Hugh (Shuggie) Bain ist ein besonderer Junge. Zart, sensibel, intelligent, so ganz anders als die primitiven Kerle aus der Glasgower Unterschicht, mit der er es jeden Tag zu tun hat und die ihm aufgrund seiner äußeren Erscheinung, seiner Zurückhaltung und seines femininen Auftretens das Leben zur Hölle machen. Und seiner Mutter Agnes, der weiteren Hauptperson des Buches, geht es nicht viel anders. Auch sie versucht, sich über schicke Kleidung und ihr gutes Aussehen bewusst von den anderen zumeist asozialen Frauen ihres verkommenen Viertels abzuheben. Und dann ist da noch Leek, der ältere, künstlerisch begabte Bruder und seine Schwester Catherine, die sich baldmöglichst über eine konstruierte Ehe aus dem Ghetto absetzt. Der so geistig unterbelichtete wie gerissene Vater hat die Familie lange verlassen, arbeitet als Taxifahrer und kümmert sich keinen Deut um seine Angehörigen. Kernthema des Romans ist der Alkoholismus der Mutter, den diese exzessiv auslebt und der letztendlich alles besiegeln wird. Und wie der kleine, später jugendliche Shuggie damit umgeht, wie er -so typisch für derartige Konstellationen- schon als Junge im Grundschulalter verzweifelt versucht, seine völlig durchgeknallte, von ihrer Alkoholsucht geprägte Mutter trotz allem zu beschützen, bedingungslos zu ihr steht, letztlich aber nur immer stärker in die Rolle des „Co-Abhängigen“ hineinrutscht und letztendlich genau wie sein älterer, ebenfalls noch bei der Mutter wohnender Bruder kapitulieren muss. Das Buch beschäftigt sich in der ersten Hälfte vornehmlich damit, die einzelnen Charaktere der Familie Bain mit ihren Besonderheiten vorzustellen wie auch, allerdings in einem einfach übermäßigen und dem Spannungsbogen damit nicht gerade förderlichen Umfang, das tägliche Leben im Glasgower Ghetto, einer Welt aus Elend, Arbeitslosigkeit, Beschränktheit und Alkoholsucht, in dem Agnes natürlich bestens mitschwimmt, in allen Tiefen auszuleuchten. Leider ist es auch in diesem Werk wieder schwierig bis befremdlich, wie versucht wird, die wörtliche Rede des zumeist primitiven Straßenslang des englischen Originals irgendwie passend in eine deutsche Übersetzung zu transferieren. Meines Erachtens kann dies einfach nicht gelingen und man sollte deshalb ganz normales Hochdeutsch wählen, den Rest besorgt dann schon das Kopfkino des Lesers/der Leserin. Glücklicherweise gewinnt die story dann aber in der zweiten Hälfte deutlich an Fahrt und Qualität. Die ganz besondere Beziehung zwischen der durch ihren Suff immer mehr in sich selbst versinkenden Agnes und ihrem jüngsten Sohn geht streckenweise wirklich unter die Haut und macht nochmal sehr transparent, wie schrecklich verloren und allein gelassen Kinder schwer alkoholkranker Eltern sind, wie sie hilflos versuchen, die Dinge irgendwie selbst zurecht zu biegen, was natürlich scheitern muss. Lt. Nachwort hat der Autor in seinem Buch in weiten Teilen seine eigenen Kindheitserfahrungen verarbeitet. Insgesamt ein lesenswerter Roman, allerdings mit einigen Längen aufgrund des permanenten Versuchs, verkommenes asoziales Milieu mittels passender degenerierter Sprache zu plakatieren.

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