Wordworld
Auf die Fortsetzung der international erfolgreichen Fantasy-Reihe von Kerri Maniscalco habe ich mich seit WOCHEN gefreut! Seit dem Erscheinungstermin der englischen Originalausgabe 2020 haben Wrath und Emilia meinen Instagramfeed in Form von Fanarts und -texten gesprengt und begeisterte Rezensionen von der ganzen Welt meine Neugier weiter befeuert. Nachdem Band 1, "Kingdom of the Wicked - Der Fürst des Zorns" im Mai meine Erwartungen mit Leichtigkeit erfüllen konnte, war ich umso gespannter auf Band 2 der Fantasygeschichte um Hexen, Hexenjäger, Höllenfürsten, Magie, Dämonen und Liebe. "Kingdom of the Wicked - Die Königin der Hölle" ist nun noch mitreißender, atmosphärischer und leidenschaftlicher als Band 1 und somit ein absolutes Lesehighlight! "Mein Kopf fuhr herum. Dort stand Wrath, gekleidet in einen charakteristischen schwarzen Anzug, und sein Blick verdunkelte sich, als er mich ansah. Eine Krone aus goldbestäubten Obsidianschlangen ruhte auf seinem Kopf. Wäre ein großer, Furcht einflößender Schatten zum Leben erwacht - der sowohl gefährlich als auch verführerisch wie die Sünde selbst war -, dann hätte er genau so ausgesehen." Schon die wundervolle Gestaltung verspricht eine düstere, vielschichtige Geschichte voller Tod, Sünde und Geheimnisse. Ich habe mich riesig gefreut, dass der Piper Verlag sich dazu entschlossen hat, das düstere Originalcover bei der deutschen Ausgabe beizubehalten, da jenes mit dem kahlen, von frostblauen Rosen umgebenen und mit Silber bekrönten Schädel nicht nur ein absoluter Blickfang, sondern auch thematisch ein Volltreffer ist. Auch der Titel, "Kingdom of the Wicked", wurde hier großartigerweise als Reihentitel beibehalten. Abgerundet wird die Gestaltung durch den farbigen Buchschnitt, der das Rosenmotiv des Covers aufgreift und in der schwarz-blauen Farbgebung der Buchdeckel umsetzt. Auch innerhalb der Buchdeckel ist "Kingdom of the Wicked - Die Königin der Hölle" schön gestaltet. Das beginnt mit der Karte, die die sieben Kreise der Hölle mit den Residenzen der sieben Höllenfürsten, die jeweils nach einer der sieben Todsünden - Stolz, Zorn, Habgier, Neid, Faulheit und Völlerei - benannt sind, und zieht sich über die schön gestalteten Kapitelbeginne, denen ab und an ein Ausschnitt aus dem Grimoire der Familie di Carlos vorangestellt ist. Erster Satz: "Es war einmal an einem verfluchten Morgen, da stürmte ein König durch sein Schloss." Der Einstieg in die Geschichte setzt nach einem kurzen Prolog über den König der Hölle und die erste Hexe genau an der Stelle ein, an der wir Wrath und Emilia in Band 1 verlassen haben: Emilia hat ihre Seele an den Teufel verkauft und wird nun von Wrath in die Hölle begleitet, um dort die Königin der Hölle zu werden. Davon verspricht sie sich, endlich herauszufinden, wer hinter dem Mord an ihrer Zwillingsschwester steckt. Statt die blutige Wahrheit über Vittoria herauszufinden, stößt sie in der Hölle jedoch auf ganz andere Informationen, die ihr Leben radikal auf den Kopf stellen... "Nonna. Vittoria. Die sieben Prinzen der Hölle. Mindestens einer von ihnen hatte nicht die Wahrheit gesagt. Doch ich war entschlossener denn je, den Grund dafür herauszufinden." Schon in den ersten Kapiteln ist mir das gemäßigte Erzähltempo der Autorin positiv aufgefallen. Ich hatte erwartet, dass sich die Ereignisse überschlagen werden, sobald Emilia sich in der Hölle aufhalten würde, stattdessen nimmt sich Kerri Maniscalco Zeit, um das neue Setting zu beschreiben, die Dynamik zwischen Wrath und Emilia unter die Lupe zu nehmen und verfällt dabei wieder in einen bedächtigen, gleichmäßigen Erzählfluss, der einen einer Rolltreppe gleichend mit sich reißt. Entgegengesetzt zum recht verklemmten Palermo des späten 19. Jahrhundert in Band 1, welches mit glühend heißen Gassen, dem Rauschen des Meeres und dem Duft von italienischem Essen über der Stadt gelegen ein unwiderstehlich sommerliches Setting darstellte, lernen wir hier nun mit der Hölle eine lasterhafte Gesellschaft inmitten eines kalten ewigen Winters kennen. Durch die Tore der Hölle, über den Sündenpass, auf dem sich Emilia allen sieben Sünden stellen muss, nach Haus Wrath, an den Feuersee, in die Mondlagune, durch den Blutholzwald und in die Häuser der anderen Höllenfürsten begleiten wir unsere beiden Hauptfiguren, wobei der lebendige und detailreiche Schreibstil der Autorin die fremdartige Eiswelt, das Magiesystem und ihre Höllenbewohner greifbar zum Leben erweckt. Dabei sind neben anderen Sinneseindrücken vor allem die kulinarischen Details wieder so eindrücklich beschrieben, dass mir nicht nur bei Beschreibungen von Wrath das Wasser im Mund zusammengelaufen ist. Daher kann ich nur empfehlen, das Buch am besten nicht hungrig zu lesen! "Sag es", raunte er mit einer Stimme, die wie Seide über meine Haut strich. "Was?", hauchte ich tonlos. "Ich bin deine liebste Sünde." Neben dem tollen Setting und dem angenehmen Erzähltempo ist in dieser Fortsetzung in erster Linie die Mischung aus drei Motive hervorzuheben: die Fortführung des Kriminalplots, einfallsreiche Fantasy-Motive und die Enemies-to-Lovers-Romanze. Während ersterer dazu dient, die Handlung grob zu strukturieren und einen Spannungsbogen aufzubauen, dabei jedoch nicht unbedingt unvorhersehbar ist, sind es vor allem die Fantasy-Motive, die die Geschichte vorantreiben. Treue LeserInnen meines Blogs werden wissen, dass ich sowohl ein Fan von Hexen-Geschichten als auch von dämonischen Motiven bin. Dass hier mit Hexen, Hexenjägern, Dämonen, dem Teufel, Gestaltwandlern, Vampiren und Geistern gleich mehrere Motive verbunden wurden, die ich sehr gerne mag, hat der Geschichte natürlich auch ordentliche Pluspunkte eingebracht. Zusätzlich hat mir die Grundidee, die Höllenfürsten als Verkörperung der sieben Todsünden darzustellen, sehr gut gefallen. Neben dem Love Interest Wrath treten in "Kingdom of Wicked" auch noch sechs weitere Höllenfürsten auf: Lust, Greed, Envy, Gluttony, Sloth und Pride. Ergänzt werden diese durch einen Hofstaat an unterschiedlichen Dämonen sowie auftauchende Gottheiten, der König der Hölle, die erste Hexe und Auswirkungen eines Fluchs vor langer langer Zeit... "Sein schönes, kaltes, adliges Gesicht. Das Antlitz das einem gefallenen Engel gehörte. Und meinem Zerstörer. Meine Haut prickelte vor Erwartung. "Du suchst nach der Wahrheit? Ich schenke sie dir frei heraus. (...) Du bist nicht ihm versprochen, Emilia." Die Welt unter mir kippte. Wraths fester Blick war es, der meine Knie und dieses Reich stützte. "Du bist mein." Auch ihre beiden Hauptfiguren sind einfach ein Träumchen! Unsere Ich-Erzählerin Emilia ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit, die zwar als Protagonistin nicht immer einfach ist, sich in den 480 Seiten aber meinen größten Respekt erarbeitet hat. Sie lässt sich von ihren Emotionen nicht überwältigen, schafft es immer wieder, sich neu aufzuraffen und tritt Herausforderungen und Gefahren beinahe trotzig entgegen. Zwar sorgt ihr Temperament dafür, dass sie ab und zu dazu tendiert, das Schlechte in Menschen zusehen (vor allem im armen Wrath, der sie nun wirklich sehr höflich und zuvorkommend behandelt) und die ein oder andere waghalsige bis sehr dämliche Entscheidung zu treffen, sie war mir unterm Strich aber trotzdem sehr sympathisch und hat mich mit ihrem Starrsinn ab und an leicht schmunzeln lassen. Der männliche Hauptprotagonist Wrath ist die Personifikation eines NA-Fantasy-Love-Interests: wunderschön, mächtig, sarkastisch und tödlich. Dadurch, dass wir nicht aus seiner Perspektive lesen können, müssen wir uns auf die (zwischen misstrauisch und lüstern schwankende) Beschreibungen von Emilia verlassen, um uns ein Bild von ihm zu machen, ahnen aber schon weit vor unserer Protagonistin, dass er eigentlich ein guter Kerl ist. Ich freue mich sehr darauf, ihn in Band 3 noch näher kennenzulernen und mehr über seine Beweggründe zu erfahren!!! "Er war wie der erste Vorbote eines gewaltigen Sturms. Eines Sturms, dem man entweder die Stirn bieten oder vor dem man sich schleunigst in Sicherheit bringen musste. Es war, als würde die Luft zwischen uns schwer und dunkel angesichts der drohenden Naturgewalt. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich spüren, wie der Donner meine Zähne klappern ließ, wie mich der Wind umpeitschte und mich in einen mächtigen Wirbelsturm zu ziehen und zu verschlingen drohte. Ein Sturm wie dieser zerstörte Städte und vernichtete ganze Königreiche. Und Wrath beherrschte ihn mit nicht mehr als einem einzigen Blick. "Du siehst aus wie ein wunderschönes Gewitter." Toll ist natürlich auch das funkensprühende Geplänkel zwischen den beiden Hauptfiguren, welche ihre unheimlich tolle Chemie hier noch weiter ausbauen. Die ganzen Fanarts, die ich gesehen habe, haben also nicht gelogen: Emilia und Wrath sind definitiv spektakulär zusammen und eine meiner liebsten Umsetzungen des Enemies-to-Lovers-Tropes im Fantasy-Genre. Die Geschichte der beiden hat mich so sehr mitgerissen, dass ich es fast nicht aus den Händen legen konnte und wenn doch musste ich ständig daran denken. Der einzige kleine Dämpfer ist, dass wir leider handlungstechnisch nicht ganz so weit kamen, wie ich mir erhofft hatte und inmitten der atmosphärischen Opulenz und der Liebesgeschichte Informationen und Wendungen ein klein wenig zu kurz kamen, sodass wir nach Band 2 nicht wesentlich schlauer sind als nach Band 1 was Vittorias Tod und den Fluch der ersten Hexe betrifft. Da es jedoch anders als ich zuvor angenommen noch einen dritten Teil geben wird, der die offenen Fragen der Handlung hoffentlich auflösen wird, kann ich damit sehr gut leben. Womit ich allerdings nicht gut leben kann, ist dass wir auf "Kingdom of the Wicked - Die Göttin der Rache" noch bis Juni 2023 warten müssen!!!! Fies! Fazit: "Kingdom of the Wicked - Die Königin der Hölle" ist abermals eine düstere, vielschichtige Geschichte über Tod, Sünde, Liebe und Geheimnisse, welche mit einer mitreißenden Atmosphäre, einem unwiderstehlichen Setting und eindrucksvollen Charakteren mit einer tollen Chemie überzeugt! Atmosphärisch noch viel besser als Band 1, inhaltlich hätten wir hier aber noch mehr vorankommen können. 4,5 Sterne