trinschen
Bücher, bei denen von Anfang an klar ist, dass sie in irgendeiner Form das Dritte Reich thematisieren, meide ich eigentlich. Das Marillenmädchen hatte es mir aber irgendwie angetan und deshalb durfte es vor knapp zwei Jahren vom Bücherflohmarkt mit zu mir kommen. Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich in der Geschichte angekommen bin, denn Elisabetta, die Ich-Erzählerin springt ein bisschen in den Zeiten hin und her. Sie erzählt zum einen einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Schwerpunkt ist ihre Kindheit als jüdisches Mädchen in Wien in den 1930er Jahren, die erste Liebe zum Nachbarsjungen und wie sie es geschafft hat, als Einzige der Familie nicht ins KZ Dachau deportiert zu werden. Über die Zeit nach dem Krieg erzählt sie nur Bruchstücke, auch über die erwachsene Elisabetta erfährt man wenig. Der zweite Erzählstrang handelt von der deutschen Tänzerin Pola, die bei Elisabetta im Haus wohnt. Polas Geschichte und ihre Verbindung zu Elisabetta wird aus der Sicht eines personalen Erzählers beschrieben. Diese Mischung aus den verschiedenen Erzählperspektiven und der phasenweise beklemmenden Geschichte hatte für mich eine besondere Faszination. Der Marillenbaum im Garten der Familien und das jährlichen Marmeladekochen zog sich als feiner roter Faden durch das ganze Buch. Vieles wurde deutlich angesprochen (Antisemitismus, bestimmte Vorurteile) anderes nur angedeutet (das Marmeladenglas im Arzneischrank für Notfälle). Das Ende war abschließend und offen zugleich. Zu Polas Geschichte und ihrem Lebensweg sind für mich ein paar Fragen offen geblieben, da hätte ich gerne noch einige Dinge erfahren.