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Buchstabengeflüster

Posted on 11.9.2022

Faszinierende Idee, aber fehlende Erklärung Im Jahr 2643 leben die Menschen mittlerweile im All, wo KIs für ihr Wohl sorgen. Auch im Kloster auf dem Jupitermond Athos befindet sich eine KI, die die Anlage steuert, damit die Bewohner dort überleben können. Doch nachdem ein Mensch gestorben ist, wird Rüd auf Athos geschickt um den Todesfall zu prüfen und die KI des Mondes auf eine andere Einstellung zu ändern, da sie den Tod nicht verhindert hat. Dabei hat Rüd seine eigene KI, Zack, die ihm bei technischen Belangen, Wissen und sogar zur sexuellen Befriedigung dient. Bei seiner Arbeit scheint nicht nur die KI Athos‘ den wahren Grund des Todesfalls zu verheimlichen, auch die Mönche erscheinen zuweilen suspekt. Doch als noch ein Mönch stirbt, ist Eile angesagt und Rüd braucht Zack leistungsstärker, als sie bisher war. Bis ich in die Geschichte gefunden hatte, hab ich etwas länger gebraucht. Wegen der komplexen Beschreibungen und einigen Details im Weltenaufbau hatte ich anfangs gar keine Lust mehr zu diesem Buch zu greifen. Hat man aber erstmal viele Seiten in dem Buch verbracht, wird es zunehmend spannender. Der Autor verwendet viele physikalische und philosophische Begriffe, die ich nicht kenne und einige neue spezifisch für diese Welt. Am Ende des Buches befindet sich zwar ein Glossar mit wichtigen Wörtern und Geschehnissen in dieser Welt, aber meinem Empfinden nach hätte man sie ruhig mehr ausbauen können. Im Mittelteil geschieht etwas, dem ich zwar folgen konnte, aber nicht nachvollziehen. Ich bin froh, dass ich das Buch in einer Leserunde gelesen habe, wo alle Leser/innen zusammen dem Geschehen auf den Grund gehen bzw. auch den Autor selbst fragen konnten. Dass ich mir die Geschehnisse am Ende weitestgehend selbst erklären konnte, hat mich schon etwas stolz gemacht, trotzdem wäre das Buch für mich ohne Leserunde ein viel minderes Lesevergnügen gewesen. Ein Buch muss sich selbst erklären können, was hier leider nicht immer der Fall war. Eine Besonderheit des Buches ist, dass die gesamte Geschichte aus Sicht der KI Zack erzählt wurde. Dadurch ist der Schreibstil vielleicht emotionsloser, aber da Zack selbst auch Mimik und Gestik beherrscht und diese von Rüd auch beschreibt, ist dies ein faszinierendes Detail der Geschichte. Die sprachliche Entwicklung zum Ende hin hat mich leider mehr gestört. >> Gegenwart […] ist eine Grenze, zur Unendlichkeit hin dünn, eine Grenze, die nur existiert, weil es einen physikalischen Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft gibt. Sie ist etwas, das es zugleich gibt und zugleich nicht gibt, wie ein Horizont, der fortweicht, wenn man sich ihm nähert.<<, S. 165 Im letzten Drittel (Teil 2 der Geschichte) wurde ich zunehmend faszinierter von der Geschichte. Als sich einige Puzzleteile zusammengesetzt haben, es überraschende Wendungen gab und die Geschichte stets spannend ist, habe ich langsam die einfallsreiche Idee dahinter erkannt. Von Anfang an hat mich die KI MARFA als lebenserhaltendes System fasziniert, vor allem die Gespräche mit Rüd. Auch die Fleischproduktion für den Verzehr oder das Überwinden der fehlenden Gravitation sind tolle Ideen des Autors. Außerdem wurde hier natürlich auch auf den Unterschied einer KI zu Menschen thematisiert. Wobei ich finde, dass nicht nur auf die ethische Frage eingegangen wird, ab wann eine KI als menschlich angesehen werden kann, sondern dass Zack hier wegen ihres Hologramms und erlernten Kommunikation von den Mönchen z. B. als Wesen mit Seele angesehen wurde und ich oft auch vergessen habe, dass sie quasi nur eine Maschine ist. Ich habe mich beim Lesen häufiger darüber aufgeregt, wie Zack sexuell belästigt wurde, aber sie verspürt diesbezüglich nunmal keine Gefühle. Ich habe ihr auch öfter Charaktereigenschaften zugesprochen, als sie Schlussfolgerungen trifft, die zu Rüds Wohl beitragen. Fazit: Dieses Buch könnte richtig toll sein! Ein faszinierender Weltenaufbau mit KIs als wichtige Rolle, geniale Ideen und ein spannender Plot; doch leider muss eine Geschichte ihre Geschehnisse selbst erklären können, was hier bei wichtigen Situationen nicht immer der Fall war. Ein wenig mehr Erklärungen und ein längeres Glossar hätten dieses Buch für mich besser verständlich und damit grandios gemacht.

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