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mabuerele

Posted on 10.9.2022

„...Die Zeichen standen auf Neuanfang, trotz aller Trauer und Schwierigkeiten war da doch der Funke Hoffnung. Es gab einen Neuanfang, man musste es nur richtig machen...“ Diese Gedanken gehen Ursula im Januar 1919 durch den Kopf. Noch aber wirken die Spuren des Krieges nach. Die Autorin hat eine zeitnahe Fortsetzung der Geschichte um die Familie Richard Dehmel geschrieben. Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen Heinrich und Ursula. Der Schriftstil ist ausgereift. Es handelt sich eher um ein leises Buch. Wer große Aktionen erwartet, ist hier falsch. Dafür gibt es tiefgehende Diskussionen zu Problemen der Zeit. Paulas Tod hat Spuren hinterlassen. Jetzt reißen alte Wunden wieder auf, zumal Ida, Richards zweite Frau, sich einen Anteil am Erbe erhofft. Diese unterschwelligen Verstimmungen durchziehen wie ein roter Faden das Buch. Ursula wirkt her oft ausgleichend. Gleichzeitig ist die aufkommende Inflation von den Künstlern nicht leicht zu händeln. Das führt insbesondere zwischen Vera und Tetjus zu Spannungen. Tetjus gleicht in mancher Hinsicht Veras Vater Richard. Ida charakterisiert Tetjus so: „...Tetjus will Dinge erleben – er will sich ausleben. Eine Frau oder gar eine Familie zu ernähren, danach steht ihm nicht der Sinn...“ Ursula hat eine besondere Gabe. Sie nimmt Gefühle als Farben wahr. Diese Farben zeigen ihr, wie sich Heinrich durch den Krieg verändert hat. „...In ihrer Vorstellung war alles grün und gelb, alles farbenfroh und voller Hoffnung gewesen, doch dieses latent aggressive Violett, gepaart mit dem düsteren Braun der Traurigkeit hatte sie nicht erwartet...“ Ursula macht sich Sorgen um ihre Schwester Hilde. Der geht es während der Schwangerschaft nicht gut. Ihr Mann Helmuth hat dafür kein Verständnis. Außerdem vergiften seine antisemitischen Äußerungen die Atmosphäre. Ein nächster tiefer Einschnitt kommt mit Richards Tod. Es gilt, die Weichen neu zu stellen. Richard hatte dafür gesorgt, dass Ursula Paulas Buch illustrieren durfte. „...Manchmal ist das Leben wie eine Schiffsreise – es gibt Untiefen und Unwetter. Man weiß nie, was einem hinter der nächsten Biegung begegnet, dachte Ursula...“ Ursula und Heinrich heiraten in aller Stille. Wird es ihr in der Ehe gelingen, ihren künstlerischen Neigungen weiter nachzugehen? Heinrich, der seinen Abschluss als Arzt in der Tasche hat, nimmt erst einmal ein Psychologiestudium auf. Er möchte danach Menschen helfen, die an psychischen Schäden infolge des Krieges leiden. Ursula glaubt an eine friedliche Welt. Immer wieder gibt es Diskussionen über die Zukunft. Vera ist da realistischer. „...Immer noch gibt es Männer, die glauben, dass Gewalt eine Lösung ist. Dass man mit Waffen seine Meinung und seine Ansprüche durchsetzen kann...“ Ein umfangreiches Nachwort trennt Fiktion von Realität. Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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