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mabuerele

Posted on 7.9.2022

„...Er legt ihr die Hand auf den Rücken und dreht seine frisch angetraute Frau sanft und fest, wie er es beim Tanz tun würde. Dann legt er ihr die feingliedrige goldene Kette um den Hals...“ Wir schreiben das Jahr 1938, als Itzhak und Rosa heiraten. Noch sehen sie die dunklen Wolken nicht, die bald über Polen aufziehen werden. Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Es ist aber kein leichtes Buch, denn sehr viele historische Ereignisse liegen dem zugrunde. Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Er lässt viel Raum für die inneren Befindlichkeiten der Protagonisten. Die eigentliche Handlung beginnt mit dem Bombardement von Warschau im Jahre 1939. Sophie arbeitet in der Bibliothek. Sie ist Engländerin, aber ihrem Mann Janek nach der Hochzeit nach Polen gefolgt. Nach dem Einzug der Deutschen verschafft der Leiter der Bibliothek ihr und seiner Tochter eine neue Identität. Das wird ihnen das Leben retten. Er gibt ihnen manch Weisheit mit auf den Weg. „...Die Angst ist ein unschöner Feind. Lass sie einen Fuß in die Tür kriegen, und sie wird dein Leben kontrollieren...“ Von ihrem Mann Janek, der in den Krieg zog, hat Sophie nichts mehr gehört. Itzhak und Rosa geben ihr Haus auf und ziehen ins Ghetto, als dort noch Wohnungen zu bekommen waren. Sehr anschaulich wird das Leben der jüdischen Bevölkerung beschrieben. „...Die Deutschen wollen, dass wir vergessen, wer wir sind und wem wir gehören. Nicht nur heute, sondern für alle Zeiten...“ Wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter entscheidet sich Itzhak, eine günstige Gelegenheit zu nutzen, und nach seinen Eltern in Litauen zu sehen. Als es Rosa immer schwerer fällt, ihre Tochter zu ernähren, nutzt sie das Angebot eines Netzwerkes um Irene Sendler und gibt ihre Tochter Ania in fremde Hände. Sie hängt ihr die Hälfte des Medaillons um, das sie zur Hochzeit erhielt. In drei Handlungssträngen wird nun das Leben von Izthak, Rosa und ihrer Tochter erzählt. Dabei werden wichtige historische Gegebenheiten wie die Geschehnisse um das Warschauer Ghetto und die Liquidierung der jüdischen Bevölkerung in Litauen mit eingearbeitet. Gleichzeitig erfahre ich eine Menge unter den Widerstandskampf in Warschau außerhalb des Ghettos. Deutlich wird, dass viele in der harten Zeit durch ihren Glauben getragen werden. Er durchzieht das Buch wie ein roter Faden. Doch was wird nach dem Krieg? Wie geht eine Frau damit um, wenn sie in Kind, das sie fünf Jahre großgezogen und liebgewonnen hat, wieder hergeben soll? Die Autorin versteht es, die Zerrissenheit und die inneren Kämpfe sehr behutsam und ohne eigene Wertung wieder zu geben. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es arbeitet eine Stück Geschichte auf, indem es sie mit persönlichen Schicksalen verknüpft.

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