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mabuerele

Posted on 2.9.2022

„...Und sie tanzte. Tanzte, als sei sie durch reinen Zufall auf die Bühne getaumelt, tanzte, als gäbe es keine Scheinwerfer, kein gierig gaffendes Publikum, nur sie und die Musik, eins waren sie und doch nicht, verbunden und doch zwei...“ Wir schreiben das Jahr 1923. Der Maler Otto Dix sieht die Tänzerin Anita Berber. Sie tanzt nackt. Sie zieht ihn in ihren Bann. Otto flieht. Dann vergehen zwei Jahre. Die Autorin hat einen außergewöhnlichen Roman über die Tänzerin Anita Berber geschrieben. Sie wählt für ihr Geschichte die Zeit, wo der Abstieg in greifbare Nähe rückt. Gleichzeitig wird auch das Leben von Otto Dix beschrieben. Eines seiner berühmtesten Bilder zeigt die Tänzerin. Der Schriftstil ist von ganz eigener Art. Mal kurze Sätze, dann wieder umfangreichere Ausführungen. Anita ist eine zerrissene Frau. Ihr Leben ist der Tanz. Aber ihre innere Leere betäubt sie mit Alkohol und Drogen. Die Angebote lassen im Jahre 1925 auf sich warten. Mit ihrer Unpünktlichkeit und Unbeherrschtheit ist sie für viele nicht mehr tragbar. „...Bewundert hatte man Anita für ihre Schulmädchenfrechheit, für ihren Mut, für ihren eigenen Kopf, zumindest so lange, bis man sie für ihre Anmaßungen hasste...“ Otto lernt die Künstlerin kennen mit all ihrer Extravaganz. Er trifft aber auch die Anita im Alltagskleid und ohne Schminke. Um mit Goethe zu sprechen: Zwei Seelen wohnen ach in ihrer Brust. Übrigens gibt es noch eine dritte Seite. Die soll aber hier kein Thema sein. Otto bietet ihr an, sie zu malen. Sehr gut gefallen mir die vielen Gespräche, die über Kunst geführt werden. „...Kunst musste man fühlen und dann aus dem Herzen heraus verstehen, alles andere war bloßes Getue...“ Sehr detailliert erzählt die Autorin, was sich während des Malens zugetragen haben könnte, denn auch Otto Dix ist ein Getriebener. Er bekommt die Bilder des Krieges nicht mehr aus seinem Kopf. „...Hier malte nicht ein Mann eine Frau, hier kämpfte ein Mensch ums Überleben. Jedes fertige Bild ein trotziger Triumph gegen den Wahnsinn, die Sinnlosigkeit und den Tod, ein kleiner Sieg über den Krieg und über die Bestie Mensch...“ Die Autorin versteht es, die inneren Kämpfe in starken Bildern wider zugeben. Ab und an gibt es Rückblenden zu entscheidenden Stellen in der Vergangenheit. Das erhöht das Verständnis für das Tun der Protagonisten. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Freiheit der Kunst hat ihren Preis. Und Anita hat den bezahlt.

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