stefan182
„Sleepy Hollow und andere unheimliche Geschichten“ versammelt fünf Erzählungen von Washington Irving. Den Anfang macht Irvings bekannteste Erzählung „Die Sage von Sleepy Hollow“, in der der Landschulmeister Ichabod Crane auf den kopflosen Reiter trifft. Es folgt „Rip van Winkle“, in der der titelgebende Protagonist in einen Zauberschlaf fällt. Diese Anfangserzählungen stehen in einem Zusammenhang: Beide stammen – so die Autorfiktion Irvings – aus den Unterlagen des Schriftstellers Dietrich Knickerbockers, der die die Erzählungen in einem kurzen Nachwort einordnet. Dargestellt werden die Geschichten – teilweise mit einem leicht ironischen Ton – von einer allwissenden Erzählfigur. Beide spielen am Hudson River: Während die Handlung von „Sleepy Hollow“ (mehr oder weniger) zur Gegenwart von Irving stattfindet, spielt „Rip van Winkle“ zur Zeit der englischen Kolonisation Nordamerikas. Beide Erzählungen werden anschaulich und dicht erzählt, sodass eine angenehm schaurige Atmosphäre entsteht, die einen besonderen Sog ausstrahlt. Mit der dritten Erzählung „Der Geisterbräutigam“ geht ein Wechsel des Handlungsortes einher: Diese spielt im Odenwald in Süddeutschland und handelt vom Baron von Katzenellenbogen, der seine Tochter vermählen möchte – was mit einem Schreckmoment einhergeht. Auch hier tritt eine auktoriale Erzählfigur auf, die die Handlung anschaulich und atmosphärisch erzählt, allerdings entsteht nicht so ein besonderer atmosphärisch-erzählerischer Sog wie in „Sleepy Hollow“ und „Rip van Winkle“. Ein ganz anderes Handlungssetting besitzen die letzten beiden Erzählungen „Die Sage vom arabischen Sterndeuter“ und „Die Sage vom Vermächtnis der Mauren“. Im „Sterndeuter“ sorgt sich der König Aben Habuz vor Angriffen seiner Feinde, sodass er seinen der Magie kundigen Sterndeuter um Hilfe bittet – doch das hat seinen Preis; im „Vermächtnis“ findet der arme Wasserträger Peregil unverhofft zu Reichtum, wodurch er in den Fokus der Behörden gerät. Magie spielt in beiden Erzählungen eine Rolle, Gruselelemente treten allerdings zurück. Im Kern besitzen sie einen komödienhaften Zug und beinhalten jeweils eine List, aus der sich moralische Implikationen schließen lassen. Strukturell sind sie linearer als die ersten drei Erzählungen und erinnern eher an Märchen. Insgesamt lebt der Sammelband besonders durch „Sleepy Hollow“ und „Rip van Winkle“. Die anderen drei Geschichten sind ganz nett und auch kurzweilig zu lesen, allerdings kommen sie nicht an die Atmosphäre der beiden Knickerbockers heran.