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joberlin

Posted on 23.8.2022

Der Journalistin Shelley Kupferberg ist mit diesem Buch ein ganz wunderbares Portrait ihres Uronkels Isidor Geller gelungen. Sie zeigt seinen sagenhaften Weg aus dem ärmlichen Schtetl im polnisch-ukrainischen Galizien bis in höchste Kreise des schillernd-mondänen Wien der Zwischenkriegszeit. Aber war seine – so scheint es leichterhand betriebene - Assimilation wirklich der richtige Weg? Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus wird in seinem Freundeskreis viel darüber diskutiert, manche haben sich bereits zur Auswanderung entschlossen. Doch Isidor bleibt, zu verwurzelt ist er als Kommerzialrat mit verfeinert-intellektuellem Lebensstil in der neuen, der einzigen Heimat. Judenverfolgung und -morde will er nicht wahrhaben, weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf und so folgt der schnelle, der unerbittliche Abstieg in die braune Hölle. Diese Lebensgeschichte fesselt von der ersten Seite an, denn Shelley Kupferberg schreibt einfach meisterhaft. Sie liefert keine schmonzettenhaft ausgeschmückte Leier, verzichtet auf psychologisierende Aufarbeitung und enthält sich der Bewertung von schicksalshaften Entscheidungen ihres Verwandten. Und gerade das macht die Lektüre so wunderbar beglückend. Hier ist nichts überfrachtet, nichts wirkt nachträglich hinzugetan. Mir hat dieses Buch sehr gefallen – es gehört ganz sicher zu den großen Highlights des Literaturjahres 2022.

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