herbstrose
Wenn der Verlust zu groß ist, sucht die Seele einen Ausweg Einige Zeit nach dem Unfalltod seines Vaters, eines Jazz-Klarinettisten der im Drogenrausch von einem Lastwagen überfahren wurde, beginnt der 13jährige Benny plötzlich Stimmen zu hören. Zuerst ist es die Stimme des Vaters, dann sind es ganz alltägliche Dinge die zu ihm sprechen, die immer lauter werden und alles übertönen. Er kann sie nicht ausblenden, kann nicht weghören und kann sich nicht mehr konzentrieren. Seine Mutter Annabelle versucht den Verlust ihrer großen Liebe mit dem Kauf völlig unnötiger Dinge zu kompensieren. Sie vernachlässigt sich, ihr Körper gerät außer Form, die Wohnung vermüllt mehr und mehr, ihre Arbeitsstelle ist in Gefahr – und ihr Sohn droht ihr zu entgleiten. Da bekommt sie durch Zufall einen Zen-Ratgeber mit Aufräum-Tipps in die Hände und auch Benny entdeckt in der Bibliothek ein Buch, „sein“ Buch, das ihm zuhört und ihm gute Ratschläge gibt. Wird es Mutter und Sohn gelingen, mit Hilfe „ihrer“ Bücher zu einem normalen Leben zurück zu finden? Ruth Ozeki, geb. 1956 in New Haven (Connecticut), ist eine amerikanisch-kanadische Romanautorin, Filmemacherin, Zen-Priesterin und Professorin für Geisteswissenschaften am Smith College in Northampton (Massachusetts). Für ihre Arbeiten erhielt sie vielfache Auszeichnungen und schaffte es auch auf die Shortlist des Booker Prize. Mit ihrem vierten Roman „Die leise Last der Dinge“ gewann sie den Women’s Prize for Fiction 2022. Sie lebt in West-Massachusetts und hat noch einen Wohnsitz auf dem Lande in British Columbia. Der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen, ein sehr bewegendes Thema, dessen Umsetzung mich hier jedoch nicht besonders berühren konnte. Der Einstieg in die Geschichte ist zwar interessant, macht neugierig und zwingt förmlich zum Weiterlesen, doch dann kommt leider zu viel Negatives, zu viele bedrückende und befremdliche Themen. Anstatt sich im Schmerz um einander zu kümmern, driften Mutter und Sohn immer mehr auseinander. Annabelle versucht mit Hilfe eines Zen-Ratgebers ihre Probleme zu lösen und Benny hält sich lieber in der öffentlichen Bibliothek auf, wo er sich mit einem Buch unterhält, das mit ihm spricht und ihm die Geschichte seines Lebens erzählt, und - wo er die Freundschaft eines drogenabhängigen Mädchens und eines alkoholkranken Obdachlosen sucht. Leider gelang es mir nicht, mich in die Gedankenwelt der Figuren zu versetzen und eine Verbindung zu ihnen herzustellen, zu seltsam und irreal war ihr Tun und Handeln. Lobenswert sind jedoch der wunderbare Schreibstil und der Einfallsreichtum der Autorin, der es sogar gelang, einige humorvolle Stellen einzubauen. Die Geschichte wurde dadurch nie langweilig, wenn auch etliche Passagen durchaus hätten gekürzt werden können. Der Schluss jedoch dürfte etwas ausführlicher sein. Ich fand ihn, nachdem was alles an Themen angeboten und angehäuft wurde, ziemlich schlicht und rasch abgehandelt. Fazit: Ein sehr gut geschriebenes Buch, das gewichtige Themen und Probleme aufgreift, nachdenklich stimmt und viele Fragen aufwirft – die jedoch letztendlich ungelöst bleiben.