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marcello

Posted on 22.8.2022

Still und heimlich ist die Compass-Reihe noch um einen vierten Band erweitert worden, der uns erst 2023 erwartet, aber ich hatte gedacht, mit dem dritten Band, „Über die dunkelste See“ sei die Reihe abgeschlossen. Aber egal, erstmal volle Konzentration auf eben diese dritte Veröffentlichung, die sich Damian widmet, den wir im zweiten Band als sehr grüblerischen, aber auch sehr treuen Freund kennengelernt haben. Dementsprechend war ich gespannt auf seine Geschichte und war doch überrascht, in was für eine absurde Konstruktion diese gesteckt wurde, denn ich kam mir fast vor wie in einem modernen Märchen von Aschenputtel, aber eins nach dem anderen. Cherry ist für mich ohnehin eine Autorin, die sehr poetisch schreibt und damit eben auch fast manchmal wie märchenhaft und dennoch übertreibt sie es manchmal nur mit der Dramatik, nicht aber mit dem Realitätscheck. Denn ich fand die erzwungene Hochzeit, bei der alle brav mitmachen, obwohl sich Stella gerade in einer Beziehung befindet, doch sehr seltsam. Dazu dann die drei Stiefmütter, die auf das Erbe schielen und ständig wie böse Feen über dem Geschehen schweben, ich fand das doch sehr anstrengend, auch weil es zu einer Figur wie Damian überhaupt nicht gepasst hat. Stella ist etwas naiv und ich kann mir vorstellen, dass sie Kevins Ideen wirklich einfach nur befolgt, weil er es sich eben gewünscht hat, aber Damian? Man merkt an meinen teilweise ironischen Worten vermutlich deutlich, dass ich mich extrem schwer mit der Geschichte getan haben, vor allem überhaupt erstmal reinzufinden. Denn als das Testament verlesen wurde, da musste ich mich schon am aggressiven Augenrollen hindern. Und diese kritischen Worte sind so schade, weil Cherry es im Grunde wieder wie im Schlaf schafft, eine zutiefst berührende Liebesgeschichte zu schaffen. Zwischen Damian und Stella ist ohne Frage etwas Magisches entstanden, aber dies hätte nicht in diesem inhaltlichen Korsett verpackt werden müssen… Stella war zwar eine Figur, die ich oft genug hätte schütteln können und ihre Beziehung mit Jeff war nur ein Faktor von vielen, aber gleichzeitig fand ich sie auch nachvollziehbar gestaltet angesichts ihrer Geschichte. Es war schwierig, aber sinnig. Zudem wurde ich letztens durch ein Buch von Kyra Groh wieder daran erinnert, wie wenig Übergewicht leider konkret in den Genres New Adult und Liebesgeschichten behandelt wird, weswegen ich es toll fand, dass es bei Stella so offensiv angegangen wurde. Zwar war es mir angesichts der drei Stiefmütter auch hier völlig übertrieben, wie sie sie fertig gemacht haben und dass am Ende die Ausrede gesucht wurde, dass sie nur enttäuscht waren, für Kevin nie die Nummer Eins zu werden, aber dennoch war es effektiv um das Trauma einer Essstörung und nicht gut genug zu sein, zu installieren. Ich habe jedenfalls mit jeder Faser mit Stella gefühlt und fand es toll, dass sie mit Damian jemanden gefunden hat, der keine Zahl in ihr sieht, sondern einen Menschen. Denn umgekehrt hat sich Stella ja auch bemüht, den Menschen in ihm zu sehen, denn er hat es auch ganz schön schwer gemacht. Natürlich wussten wir schon durch den zweiten Band, dass der tolle Mensch da ist, aber dennoch hat er sich oft genug sehr arschig verhalten dürfen und es brauchte seine Zeit. E war schön, wie er sich irgendwann einfach auf das einlassen konnte, was sie ihm gespiegelt hat und deswegen alles zulassen konnte, was in ihm steckt. Dennoch fand ich es auch etwas schade, dass er etwas hinter Stella zurückstand. Das mag daran liegen, dass er eben auch schon in Band 2 entwickelt worden ist und deswegen bei Stella noch etwas nachgeholt werden musste, dennoch stand ihr Trauma viel deutlicher im Fokus als seins, obwohl er als Kind, durchgereicht durchs Pflegesystem, selbst genug zu erzählen gehabt hätte. Das ist zwar auch angedeutet worden, aber definitiv untergeordnet. Dennoch war ihre Geschichte beschränkt auf sie beide sehr gut, alles drum herum war aber völlig überstilisiert und hat der Geschichte etwas Unnatürliches gegeben, schade. Fazit: Eigentlich ist auch „Über die dunkelste See“ wieder eine tolle Liebesgeschichte, aber eine Liebesgeschichte, die in einer großen Absurdität verpackt worden ist. Die erzwungene Heirat ist für mich nun kein Muster, was ich in so einer Geschichte brauche. Hier hat sich Cherry in meinen Augen definitiv verrannt.

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