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miss_mesmerized

Posted on 22.8.2022

Kayleigh braucht einen neuen Job, da klingt das, was sie bei HEXA tun muss, geradezu verlockend: Internetbeiträge anschauen und unangemessene Inhalte löschen. Kann so schwer ja nicht sein. Doch die Rahmenbedingungen sind hart und das, was die Mitarbeiter zu sehen bekommen, geht oftmals über das Ertragbare hinaus. Schnell wird eine verschworene Gemeinschaft aus der neuen Gruppe. Doch der Druck, das auszuhalten, was man Minute für Minute, Stunde für Stunde an Abgründen zu sehen bekommt, wird bald zur Belastung. Schließlich verklagen einige HEXA, Kayleigh jedoch nicht, einem Anwalt, der sie immer wieder mit Fragen bombardiert, erläutert sie, weshalb sie sich nicht anschließen möchte. Hanna Bervoets Roman ist mir in den letzten Wochen mehrfach begegnet, weshalb ich neugierig auf das Buch wurde. „Dieser Beitrag wurde entfernt“ klang nach einem ähnlichen Thema wie Dave Eggers „The Circle“ und ich erwartete aufgrund des Klappentextes, meine Sensationslust mit einem Blick hinter die Kulissen eines Internetkonzerns stillen zu können. Leider musste ich schnell feststellen, dass das eigentliche Thema des Romans ein ganz anderes ist und es vorrangig um enttäuschte Liebe geht und die Arbeit bei HEXA nur den Hintergrund für diese liefert. Bei Kayleighs Training bekommt man zwar Einblicke in die Regeln, nach welchen Beiträge gelöscht werden oder online bleiben, auch werden immer wieder Beispiele für unangemessene Inhalte eingefügt, aber dies bleibt nebensächlich. Die Figuren durchlaufen eine gewisse Entwicklung, denn so ganz spurlos kann diese Arbeit an niemandem vorbeigehen, mit Kayleigh als Erzählerin bleibt dies jedoch auch flüchtig und nur von außen sichtbar, sie selbst scheint kaum belastet durch das kritische Material. Ihr Thema ist Sigrid, eine Kollegin, in die sie sich verliebt und mit der sie eine Beziehung beginnt. Bald schon treten die ersten Schwierigkeiten auf, die sich noch kitten lassen, aufgrund ihrer bestimmenden und manipulativen Art, ist jedoch der große Knall mit Sigrid vorprogrammiert. Aufgrund der Kürze mit nur knapp über 100 Seiten kann man sicherlich keine tiefgreifende Psychologisierung erwarten, vieles bleibt an der Oberfläche und wird nur angerissen. Da, wo es endlich spannend und interessant wird – wie gehen die Figuren mit den Verschwörungstheorien um, wer kann ihnen standhalten und warum, wie erträgt man brutale Gewaltexzesse ohne selbst aggressiv zu werden, welche Verantwortung tragen die Mitarbeiter, die von Straftaten erfahren - reißt die Handlung immer wieder ab, dabei wäre es das Motiv wert gewesen, tiefer beleuchtet zu werden. Thematisch hatte ich leider auch gänzlich andere Erwartungen, eine Frau, die einer toxischen Beziehung nachweint, ist schlichtweg nicht mein Thema und so konnte ich auch nur wenig Sympathie für die Erzählerin aufbringen. Gute Ansätze, aus denen sich was hätte entwickeln können, die jedoch ohne Tiefgang bleiben und eine etwas irreführende Beschreibung – leider nicht mein Roman.

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