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naraya

Posted on 22.8.2022

Ryoko bügelt gerade, als sie den folgenschweren Anruf bekommt: Hiroyuki, ihr Freund, mit dem sie seit Jahren zusammen ist, hat sich an seinem Arbeitsplatz das Leben genommen. In der Leichenhalle trifft sie auf Akira, Hiroyukis jüngeren Bruder, von dessen Existenz sie bisher nichts wusste. Die beiden tauschen sich aus und Ryoko muss feststellen, dass sie eigentlich gar nichts über ihren Partner gewusst hat. Ihr bleibt nur ein Parfüm, das er für sie kreiert hat und eine willkürlich erscheinende Liste von Beschreibungen. Und so begibt Ryoko sich auf die Suche, in Hiroyukis Kindheit, seiner Heimat, seiner Familie – bis sie am Ende schließlich in Prag landet. „Der Duft von Eis“ der mehrfach preisgekrönten Autorin Yoko Ogawa wird aus der Sicht ihrer Protagonistin Ryoko in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt. Auf diese Weise sind wir ganz nah an den Geschehnissen, ihrer Trauer und den verzweifelten Versuchen, Hiroyukis Tat einen Sinn zu geben. Es ist seltsam, denn eigentlich lernt Ryoko ihn erst nach seinem Tod richtig kennen, erfährt von seiner Liebe zur Mathematik, zum Eislaufen und von einem einschneidenden Erlebnis in seiner Kindheit. Einziges Problem: Sie kann nicht mehr mit ihm darüber sprechen. Während sein Bruder Akira sich mit der Situation arrangiert und versucht, seiner Mutter den Lieblingssohn zu ersetzen, verbeißt Ryoko sich in die Suche nach der Wahrheit: Was hat Hiroyuki in den Tod getrieben? Warum hat er über so viele Dinge nie mit ihr gesprochen? Und was bedeutet die seltsame Liste, die er hinterlassen hat? Irgendwann glaubt Ryoko, in seinen Worten bestimmte Orte und Ereignisse wiederzuerkennen und reist in ihrer Obsession nach Prag, wo Hiroyuki als Schüler den letzten Mathematikwettbewerb seines Lebens einfach abgebrochen hat. „Der Duft von Eis“ ist ein emotionaler, zarter Roman über Trauer und Verlust und die Unmöglichkeit, in schrecklichen Geschehnissen einen Sinn zu entdecken. Nach und nach verlässt die Handlung den Bereich des Wirklichen und geht in magischen Realismus über. Ob Ryoko all das tatsächlich erlebt oder ob sie es sich in ihrer Trauer nur einbildet, bleibt offen.

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