Buchdoktor
Der BND-Agent Frank Jaromin hat in Afghanistan, Somalia und im Irak gedient; seine Teamkollegen kennt er bereits seit der gemeinsamen Bundeswehrzeit. In der Gegenwart haben sie z. B. einen gesuchten Kriegsverbrecher aufgespürt und seinem Gerichtsverfahren in Den Haag zugeführt. Frank sollte sich längst ins Privatleben zurückgezogen haben, als er in Bagdad einen Bilderbuch-Auftrag für einen erfahrenen Veteranen wie ihn übernehmen muss. Er soll Dokumente übernehmen, die beweisen würden, dass die Begründung für den Irakkrieg von Anfang an falsch war, und die diesen Krieg noch verhindern könnten. „Curveball“, der Informant der westlichen Geheimdienste, wäre damit als Betrüger entlarvt; beachtliche finanzielle Investitionen in diese Figur wären in den Sand gesetzt. Ein Alptraum. Und eine heikle Mission für Jeromin, da der BND keine eigenen Informanten mehr in Bagdad hat und sich auf Informationen „befreundeter Dienste“ verlassen muss. Franks Informantin „Abeer“ ist eine verwitwete Frau; aber auf wessen Seite sie steht, bleibt für ihn als Fremden lange ein Rätsel. Nebenbei steht die Frau für das hochaktuelle Thema der Ortskräfte, die von westlichen Armeen genutzt, aber letztendlich nicht geschützt werden. Auch wenn er mit der arabischen Kultur vertraut und in Bagdad noch bestens vernetzt ist, fragt sich, ob das für den heiklen Auftrag wirklich genügt. Sein Team tritt mit der hastigen Aktion mächtigen Seilschaften auf die Füße. Auf französischer Seite agiert als Analyst in Bagdad Claude Bitat, dessen Lebenslauf als Teilnehmer des Jugoslawienkriegs dem Jeromins erstaunlich ähnelt. Schließlich tritt noch mit Hans Breuninger in Berlin die ganz alte, längst pensionierte Garde „der Dienste“ auf; Breuninger hat dafür sehr spezielle Motive. Der Agent Curveball wird derweil in Deutschland durch Hanne Lay vom BKA verhört, die im Laufe dieser Aktion ihren Arbeitsplatz riskieren könnte. Oliver Bottinis komplexer Spionage-Thriller „Einmal noch sterben“ erfordert zunächst, sich in die Phase des Irakkriegs (ab 2003) zu versetzen, der uns inzwischen erstaunlich fern zu liegen scheint. Die Lebensläufe der Figuren würden sich bereits zu einem komplexen Plot fügen, den gemeinsame Kriegserlebnisse nicht einfacher machen. Es geht u. a. um Seilschaften in Organisationen, Männerbünde, den obligatorischen Maulwurf, um Traumata, sowie Familienangehörige von Militär und Geheimdienstmitarbeitern. Das zeitlose Thema Kränkungen erhält seinen Platz (von Individuen und ganzen Nationen), aber auch Konflikte zwischen akademisch gebildeten Büromenschen und denen, die ihr Leben in fernen Staubwüsten aufs Spiel setzen. Ein Nachwort löst auf, dass der Autor reale Figuren in einem fiktiven Szenario agieren lässt. Bottini hat mich mit komplexen, absolut glaubwürdigen Figuren und deren sich überlappenden Vorgeschichten beeindruckt. Mit jeder gelesenen Seite wurden die Ereignisse zeitloser.