Fina
Gestaltung: Mich hat die Gestaltung des Covers auf jeden Fall neugierig gemacht, auch wenn ich kein Fan der ersten Stunde bin. Mir sind die Farben etwas zu blass, allerdings hat mich der Käfer schon zum Nachdenken gebracht, was es wohl damit auf sich haben könnte. Ich hätte es zudem sehr schön gefunden, wenn die Charakterbilder, die zu den Figuren des Buches existierten, in der Klappe abgedruckt worden wären. Doch gerade nach dem Lesen kann ich sagen, dass die Gestaltung gut zur Geschichte passt. Bei Band 2 gefällt mir übrigens die Farbgestaltung wesentlich besser, die beiden Bände werden bestimmt toll zusammen aussehen. Darum geht's: In der Stadt Hansewall, in der sich Licht und Dunkelheit bekriegen, ist Aurora eine Priesterin im Auftrag des Lichts und möchte den Dämon ein für alle mal besiegen. Doch als sie ohne jegliche Erinnerung an ihr altes Leben erwacht, beginnt für sie eine abenteuerliche Reise. Da ist nicht nur der charmante Pirat Kaz, der ihr direkt den Kopf verdreht, auch ein Junge aus ihrer Vergangenheit sucht sie auf und behauptet, sie seien ein Liebespaar. Weiterhin schwebt die große Frage über Hansewall: Lebt der Herr der Dunkelheit noch oder konnte Aurora ihn vernichten? Schnell zeigt sich, dass es Fragen gibt, die noch größer sind als das... Idee/ Umsetzung: Wie bereits oben angesprochen war ich anfangs nicht so angetan von der Idee des Buches. Es gibt zuhauf Fantasygeschichten, die sich mit Strickmustern wie "Gut gegen Böse", "Licht gegen Dunkelheit" und "Göttern gegen Dämonen" beschäftigen. Das ist auch völlig in Ordnung, aber ich habe mir die Frage gestellt, ob es tatsächlich noch eine Geschichte in dieser Richtung braucht. Im Laufe des Buches konnte die Autorin mich davon überzeugen, dass das Strickmuster allein nicht über die Qualität der Geschichte entscheidet, sondern die Interpretation dessen sehr entscheidend ist. Caroline Brinkmann hat hier ein ganz wundervolles Setting erschaffen. Hansewall ist ein fiktiver Ort, vereint allerdings unterschiedliche Elemente einiger realer Städte. Durch den direkten Zugang zum Meer und auch den Namen habe ich mich an Hamburg erinnert gefühlt. Die vielen Wasserstraßen und der Geruch nach Fisch haben aber auch Erinnerungen an die Wasserstraßen Venedigs in mir geweckt. Die Autorin schafft es, dem Ort sehr viel Leben einzuhauchen, was durch schöne Beschreibungen gelingt, ohne dass diese der Spannung einen Abbruch tun. Was die Schauplätze auch sehr plastisch werden lässt, sind die vielen kreativen Details. Seien es die Solarpusse, Leuchtmittel, die leuchtenden Oktopussen nachempfunden sind, der Klabautergeist von Kaz, oder die verschiedenen Parteien der Freudeninsel - ich konnte mir alles sehr gut vorstellen und habe mich in diese kreativen Einfälle verliebt. Die ominösen Parteien, Licht und Dunkelheit, blieben erstaunlich lange eher kryptisch. Durch Auroras Gedächtnisverlust bekommen wir wenig Einblicke in den Glauben der Sanktiner, die sich dem Licht verschrieben haben, und auch den Unheiligen der Dunkelheit. Dazu gibt es tatsächlich erst so richtig viele Details, wenn es ins letzte Drittel geht. Anfangs hat mich das etwas irritiert, aber der Aufbau der Handlung war dadurch auch interessant und mal etwas anderes. Ich hatte das Gefühl, von hinten nach vorne zu lesen und mehr und mehr zu verstehen. Handlung: Insgesamt ist die Handlung des Buches extrem rasant. Eine actiongeladene Jagd folgt der anderen, wir haben kurze Kapitel und schnelle Wechsel zwischen den Perspektiven, sodass definitiv keine Langeweile aufkommt. Mit gingen diese schnellen Schnitte an der ein oder anderen Stelle sogar manchmal etwas zu schnell. Ich hätte gerne noch ein paar mehr Details der Welt erfahren oder Sachverhalte genauer verstehen wollen. So blieben einige interessante Ansätze, wie z. B. die Herkunft und Funktion eines verschollenen magischen Dolchs, bis zum Ende etwas blass. Da wir es hier aber immernoch mit einem Jugendbuch zu tun haben, kann ich darüber hinwegsehen, ich wurde sehr kurzweilig unterhalten. Charaktere: Ebenso plastisch und besonders, wie Caroline Brinkmann Hansewall gezeichnet hat, so zum Greifen nah waren auch einige der Figuren. Mit der Undine Nyx habe ich einen neuen Lieblingscharakter gefunden, die mir über das Buch hinaus sehr in Erinnerung bleiben wird. Nicht nur, dass sie mit ihrem Aussehen in keine Schublade passt, ihr loses Mundwerk ist herrlich erfrischend und liebenswert gewesen. Sie ist mit Abstand mein liebster Charakter und nimmt glücklicherweise auch viel Raum ein. Ebenfalls sehr gerne mochte ich Kaz, der als einsamer Pirat und mit seinem kühlen Kopf ein besonderes Feeling in die Geschichte hineingebracht hat. Die anderen beiden Protagonisten, Aurora und Elian, blieben mir leider zu blass. Bei Aurora mag es auch mit dem Gedächtnisverlust zu tun haben, aber irgendwie konnte ich keine Verbindung zu ihr aufbauen. Sie macht zum Ende hin noch eine gute Entwicklung, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Ähnlich verhielt es sich mit Elian, der dem dunklen Reich angehört, für mich aber irgendwie nicht greifbar wurde. Bis jetzt habe ich keine Idee, was ihn als Mensch ausmacht. Dafür sind mir einige Nebenfiguren noch sehr lebhaft in Erinnerung geblieben. Ich mochte Violetta sehr gerne, die ebenfalls einer bestimmten Spezies angehört, und auch Emilio war ein toller Charakter. In jedem Fall konnte ich feststellen, dass die Autorin sehr besondere Figuren schreiben kann, von denen ich gerne noch mehr kennenlernen möchte. Zudem gibt es auch zwei angedeutete Liebesgeschichten, die allerdings in meinen Augen weniger präsent waren, als es die Beschreibung vermuten lässt. Für mich ist das hier keine klassische "Romantasy", sondern beinhaltet noch sehr viel mehr. Ich mochte diese Anteile der Geschichte gerne, da es eher dezent eingestreut wurde und gut zu den Figuren und der Handlung passte. Ende: Die Auflösung am Ende kam ein bisschen zu überstürzt für mich, da bis zu den letzten 50 Seiten noch sehr viele große Fragen ungelöst waren. Mit dem Ausgang der Geschichte und dem Epilog war ich allerdings sehr zufrieden, da das Ende für mich ein bisschen bittersüß war und ich solche "perfekt unperfekten" Enden sehr mag. Der nächste Band, "Laurelin", soll in derselben Welt spielen, aber unabhängig von "Aurora" zu lesen sein. Ich möchte sehr gerne in diesem Universum weiterlesen. Fazit: Caroline Brinkmann hat für die Flüsterchroniken eine wunderbare Fantasywelt geschaffen, die mich besonders mit ihren liebevollen Details und Eigenheiten sehr für sich einnehmen konnte. Liebenswerte Figuren haben die Geschichte tiefgründig und emotional gemacht. Ein rasanter Plot sorgt für jede Menge Action, die mir teilweise schon etwas zu viel des Guten war. Alles in allem dürften Fantasy Leser*innen, insbesondere die jüngeren, große Freude an diesem tollen Buch haben. Für mich war es definitiv nicht das letzte Buch von dieser Autorin.