Profilbild von dorli

dorli

Posted on 8.8.2022

In ihrem Roman „Die karierten Mädchen“ - dem ersten Band einer Trilogie, die auf den Lebenserinnerungen ihrer Großmutter basiert - erzählt Alexa Hennig von Lange aus dem Leben einer Frau, die auf ihren Wegen aus moralischer Sicht nicht immer die richtige Entscheidung trifft. Die Handlung beginnt 1929. Mitten in der Weltwirtschaftskrise ergattert die 21-jährige Klara Möbius eine Anstellung als Lehrerin in der Kinderheilstätte Oranienbaum. Klara fühlt sich dort schnell heimisch und geht in ihrer neuen Aufgabe auf. Als die einjährige Tolla, ein Mädchen mit jüdischen Wurzeln, deren Mutter sich nicht mehr um die Kleine kümmern kann, in dem Kinderheim abgegeben wird, baut Klara schnell eine enge Bindung zu dem Kind auf. Als die Zeiten noch schwieriger werden und das Heim wirtschaftlich in Schieflage gerät, bandelt Klara, die das Heim mittlerweile leitet, mit dem anhaltinischen Staatsministerium an und sieht nichts Falsches daran, die Nationalsozialisten um Hilfe zu bitten. Sie bekommt Unterstützung, aber anders als gedacht, denn die Nazis machen aus der Heilstätte ein ländliches Frauenbildungsheim, in dem den jungen Mädchen die nationalsozialistischen Werte gelehrt werden sollen. Zu spät erkennt Klara, in welche Gefahr sie sich und Tolla gebracht hat… Klaras Erlebnisse in den 1930er Jahren sind in eine Rahmenhandlung eingebettet, die 1999 spielt. Die 91-jährige Klara lebt in ihrem norddeutschen Reihenhaus. Eine resolute Frau, die immer einen großen Wert auf Disziplin und Benehmen gelegt hat. Sie hält die Zeit für gekommen, ihren Kindern zu erzählen, wer ihre Mutter wirklich gewesen ist. Da sie erblindet ist, nimmt sie ihre Erinnerungen auf Kassette auf. Während Klara die Kassetten bespricht, reist sie gedanklich in die Zeit zurück und erlebt die damaligen Ereignisse erneut. Alexa Hennig von Lange hat einen angenehm zügig zu lesenden Schreibstil - schnell ist man mittendrin im Geschehen und kann den unterschiedlichen Ereignissen problemlos folgen. Kurzbeschreibung und Leseprobe haben mich wahnsinnig neugierig auf diesen Roman gemacht. Ich habe eine fesselnde und ergreifende Geschichte erwartet, doch nach einem vielversprechenden Start flachte meine anfängliche Begeisterung mehr und mehr ab. Das lag zum einen daran, dass ich mich immer wieder gefragt habe, ob die intelligente und vielfältig interessierte Frau, als die Klara hier dargestellt wird, wirklich so blauäugig gehandelt hätte. Es fällt mir schwer nachzuvollziehen, dass jemand, der zur damaligen Zeit die Verantwortung für ein Kind mit jüdischer Herkunft übernommen hat, trotz unmissverständlicher Warnungen aus seinem Umfeld die politische Entwicklung einfach beiseite wischt. Selbst als Klara erkennt, was tatsächlich um sie herum geschieht, redet sie sich die Situation noch schön. Zum anderen haben mir die Emotionen gefehlt. Klara sagt im Verlauf der Handlung einmal, dass sie alles ganz sachlich sehen will; wenn sie die Dinge nicht sachlich sieht, würden sie nicht funktionieren. Genauso habe ich Geschichte durchweg empfunden. Irgendwie nüchtern und distanziert, so dass ich kaum mit Klara mitfühlen und mitfiebern konnte. „Die karierten Mädchen“ konnte mich nicht so fesseln, wie ich es mir nach dem Lesen der Leseprobe erhofft hatte.

zurück nach oben