silkestuecker
Puh, was für ein Buch. Ich wurde über eine Wanderbuchrunde, erst auf das Buch aufmerksam Man hat es bei diesem Buch mit einer schweren ernsten Thematik und einer aufwühlenden Familien-Geschichte über Antisemetismus zu tun. Es spielt in Holland und wer "Das Tagebuch der Anne Frank" gerne mochte, könnte mit diesem Buch auch gut beraten sein. Das Buch ist nicht leicht zu lesen, zum einen aufgrund der anfangs gewöhnungsbedürftigen Sprache, mit der man erstmal klarkommen muss. Die Sätze sind teilweise lang, die Ausdruckweise stellenweise ungewohnt und holprig zu lesen. Nichts was man leicht, einfach, mal eben so weg liest. Zum anderen aber auch bedingt durch die Hauptfiguren Joel und seine Mutter Sonia, die recht unnahbar wirken und den Zugang zu Ihnen dem Leser nicht leicht fällt. Anfangs passiert nicht viel wenig Handlung, schwere Sprache, unnahbare Charakter, aber bleibt man aber dran, ist man im Sog einer berührend, bedrückend, eindringlichen Geschichte auf die man sich einlassen muss. Sie ist nichts für zwischendurch, und man muss emotional und kopftechnisch bereit sein, sich darauf einzulassen. Der Plot dreht sich anfangs hauptsächlich um Joel, ein Autor auf Lesereise, der gegen das Versprechen, was er seiner inzwischen verstorben Mutter gegeben hat, mit seiner Frau nach Amsterdam reist. Woher er ursprünglich kommt. Dort findet er bei einem Museumsbesuch ein Bild, auf dem er seine Mutter wiedererkennt, die ein Kind auf dem Schoß hat, bei dem es sich nicht um ihn handelt. Im Laufe der Geschichte nimmt uns die Autorin mit bei den Joels Recherchen zu seiner Herkunft über Joels Kindheit bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs. Sie erzählt gnadenlos, aber gut recherchiert, die Ausgrenzung, Beschneidung der Freiheiten der Juden im Amsterdam. Die Geschichte baut nach und nach eine Spannung auf, man ist dabei, man wandelt mit durch die Straßen, erlebt hautnah die Schrecken und Ängste und Sorgen. Man erlebt wie Freunde zu Verrätern werden, man spürt den Verrat fast hautnah. Man wird beim Lesen nicht geschont und die Deportation in KZ wird gnadenlos erzählt, man braucht nicht viel Fantasie um sich die Zeit in den Viehtransproten vorzustellen mit denen die Menschen in die KZs abtransportiert wurden und dadurch, dass die Autorin die Zeiten der Erinnerungen und der Jetztzeit ohne großartige Absätze ineinanderfließen lässt, macht es die Geschichte mit all ihren Schrecken noch greifbarer. Zum Glück werden diese wirklich eindrucksvoll und beklemmenden Szenen immer wieder durch die Jetztzeit aus Joels Sicht abgelöst, in denen er den seinen Aufenthalt in Amsterdam beschreibt, die Parks, die Grachten, die Museen, die Personen mit denen er zu tun hat. Diese wirken sehr authentisch und werden liebevoll in den Plot eingepflegt und sind ein starker Kontrast zu Joels Mutter Sonia, zu der man bis zum Ende ein recht distanziertes unnahbares Verhältnis hat. Man kann kurz Luft holen, durchschnaufen, verarbeiten was man gelesen ja nahezu fast hautnah erlebt hat. Ich habe mich am Ende viel mit den Entscheidungen auseinander gesetzt, die getroffen werden mussten, die Frage, was hätte ich gemacht, wie hätte ich mich verhalten, hat mich stark beschäftigt. Aber eins ist sicher, Sonia ist eine verdammt starke Frau gewesen, die viel Mut bewiesen hat, aber deren Entscheidungen ich nicht immer gutheißen, aber doch verstehen konnte. Wer übrigens Interesse an einem Podcast mit einer Zeitzeugin zu der Zeit hat, sollte in die 9 Folgen a 30 Minuten des Podcast: >>Zeitkapsel – Irene wir hast du den Holocaust überlebt?<< anhören. Sie war eben so in Westerbrok und in Bergen-Belsen.