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gwyn

Posted on 7.8.2022

Völlig begeistert muss ich euch dieses Buch vorstellen: Evolutionsbiologie - spannend erzählt in eine Erzählung eingebunden. Alles beginnt mit einem Käfer, den Samuel findet. Er berichtet uns seine Geschichte. Seine Mutter ist Evolutionsbiologin und Käferforscherin. Sein Käfer ist eine neue Art, die Mutter ist beeindruckt. Was heißt hier eine neue Art? Es ist ein Käfer, oder? Wir teilen Flora und Fauna in Gattungen ein. Aber seit wann und wozu ist das gut? Die Story ist in einer Art Tagebuch geschrieben, bei der Samuel aber immer wieder auf die Evolution zurückkommt und uns nebenbei Philosophisches erklärt und daraus resultierend die Schritte bis zur Evolutionstheorie von Charles Darwin und darüber hinaus. Als Erstes wird das Weltbild des Aristoteles vorgestellt, der 384 v. Chr. lebte, dazu ein Streitgespräch mit Platon. Es geht weiter mit einem Streitgespräch mit seinem Schüler Lykeion - alles verständlich und kindgerecht umgesetzt. Zwischendurch erfahren wir immer wieder etwas über Samuel, der ja nun durch seinen Käfer selbst ein kleiner Forscher geworden ist. Es geht weiter mit Thomas von Aquino und es folgen Carl von Linné, Jean-Baptiste de Lamarck, Gregor Johann Mendel, Alfred William, Charles Robert Darwin, geht über Bertha von Suttner und endet bei den zeitgenössischen Evolutionsbiologinnen Barbara Rosemary Grant und Katie Peichel. Der Weg der Wissenschaft ging natürlich über die Philosophie, bei der Region eine große Rolle spielte – manches wissenschaftliche Denken war früher sogar brandgefährlich. Die Geschichte rund um Sam und seine Mutter Fritza ist spannend, denn der arme Sam muss zwischendurch eine schlimme Krankheit durchmachen. In zehn Großkapiteln zur Evolutionsbiologie wird der Kontext ihrer jeweiligen Zeit erklärt, welche Vorstellungen die Menschen zur Entstehung der Arten hatten und welche «Wertigkeit» sie Tieren zuschrieben, wie weit der Kenntnisstand der Wissenschaft war. Etwas, das anfänglich ja eine philosophische Auseinandersetzung des Wesesens und des Seins war. In diesem Zusammenhang fehlt mir eine wichtige Kulturanschauung, nämlich die der Kulturvölker, die sich nie selbst über Tiere und Pflanzen erhoben haben, sich als Kreislauf der gesamten Natur verstanden, im respektvollen Umgang mit allen Lebewesen. Andrea Grill zeigt maßgebende Persönlichkeiten, bindet diese Biografien geschickt in die Geschichte von Sam ein und erklärt sehr verständlich die jeweiligen Überlegungen, bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse. Man kann an diesem Buch auch erkennen, wie weit philosophisches Reflektieren in der Wissenschaft wichtig ist – in unserer technischen Welt mehr als zuvor. Insgesamt ein Rundumpaket, das anschaulich einen geschichtlichen Abriss zur Evolutionsbiologie wiedergibt. Unterfüttert sind die Informationen mit Grafiken von Raffaela Schöbitz, die in Segmenten eingestreut sind. Besonders gut haben mir die kleinen Comic-Einschübe gefallen, die ein Bild aus dem Leben der historischen Personen wiedergeben, um ein Gefühl für gesellschaftliche, politische und geschichtliche Konstellationen zu geben. Ein komplexes Thema, leicht erklärt durch eine erfrischende Grundgeschichte. So macht Sachbuchlesen Spaß! Ein Kindersachbuch, das in keiner Schule als Unterrichtsmaterial fehlen sollte. Ganz sicher ist dieses Buch nicht nur für Kinder interessant – Eltern werden es gleichfalls spannend finden. Der Tyrolia Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 12 Jahren, dem schließe ich mich an. Andrea Grill, geb. 1975 in Bad Ischl, studierte Biologie, Italienisch, Spanisch und Sprachwissenschaft, forschte in Sardinien zur Evolution der Schmetterlinge und promovierte 2003 an der Universität von Amsterdam. Sie ist Biologin, Übersetzerin und Schriftstellerin und erhielt für ihre Werke mehrere Auszeichnungen. Ihr Roman «Cherubino» war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2021 wurde Andra Grill für ihr bisheriges literarisches Schaffen mit dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet. Raffaela Schöbitz, geb. 1987, lebt und arbeitet als freischaffende Illustratorin und Autorin in Wien. Für Ihre Bilderbücher und Graphic Novels wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet (u. a. Kollektion Österr. Kinder- und Jugendbuchpreis, IBBY, World Illustration Award). Am liebsten arbeitet sie mit Bleistift, Tusche und Aquarell, häufig auch mit Mixed-Media-Collagen und mit digitalen Medien.

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