Gabriele
Susanna hatte „von frühester Jugend an sorgfältig darauf geachtet, immer frei und unabhängig zu bleiben und sich keinesfalls von Arbeitgebern, Ehemännern und anderen Schindern in Kettenhaft nehmen zu lassen.“ (Seite 216) Bisher war mir Susanna Faesch kein Begriff. Aber wir lesen ja, um etwas dazu zu lernen. Dank diesem Buch und Wikipedia weiß ich nun, dass sie aus der Schweiz stammt. Mitte des 19. Jahrhunderts wanderte sie mit ihrer vom Vater geschiedenen Mutter nach New York aus, wurde zur Malerin und lernte später Sitting Bull kennen. Alex Capus hat ihr mit seinem Buch ein Denkmal gesetzt. Doch das wurde mir erst relativ spät bewusst. Denn auf den ersten einhundert Seiten bekommt sie nur in drei von sieben Kapiteln eine tragende Rolle. Capus malt sie als resolutes Kind, das schon früh weiß, was es will. Anfangs empfand ich das als zu wenig, um einen näheren Bezug aufzubauen. Erst später stellte sich heraus, dass die Vorgeschichte zum Verständnis ihrer Situation eine wichtige Rolle spielt. Was das Buch trägt, sind vor allem die Beschreibungen der damaligen Zeit. Da erleben wir Leser die Eröffnung der Brooklyn Bridge mit und die Gefühle der Menschen, als der elektrische Strom ihr Leben erleichterte. Wir erfahren von den ersten stocksteifen Fotos und wie Susanna sie durch ihre farbenprächtige Porträtmalerei zum Leben erweckte. Interessant sind auch die damaligen Reisen per Schiff, Nachtexpress oder Planwagen. Alex Capus Stil erinnerte mich teilweise an einen mit den Augen zwinkernden Märchenerzähler. Eine ironische Heiterkeit schimmert an vielen Stellen durch und macht das Lesen zum Vergnügen. Fazit: Ein historisch geprägter Roman über eine Frau, die mehr Bekanntheit verdient hätte. Mich hat er neugierig auf mehr von ihr gemacht, so dass ich mir das Buch „Die Zwischengängerin“ von Thomas Brunnschweiler vorgemerkt habe.