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Buchdoktor

Posted on 24.7.2022

Auf Tristan da Cunha müssen die Bewohner selbst anbauen, was sie benötigen, oder auf Waren von unregelmäßig ankommenden Schiffen warten. Die Schiffe können nicht immer ankern; oft müssen Passagiere oder Waren von den Bewohnern ausgeschifft werden. Mit dem Boot von einer Nachbarinsel Guano als Dünger zu holen, gilt als Pflicht. Lars hat jedoch größere Wünsche. Er bringt von seinen Fahrten mehr Bücher, mehr Stoffe und mehr Süßigkeiten für seinen Sohn mit, als seine Nachbarn sich je erträumt hatten. Lars lange Reisen sind jedes Mal ein Wagnis, das ihm den Tod bringen könnte. Auf der Insel ist man sich bewusst, dass ein kenterndes Boot mit mehreren Fischern an Bord alle Ernährer gemeinsam das Leben kosten kann. Seine langen Reisen verbittern seine Frau Lise und es liegt nahe, dass Lars sich mit den Waren bei Frau und Sohn loskaufen möchte. Der kleine Jon ist ein besonderes Kind; Lise fühlt unterschwellig Kritik daran, dass Jon so ist wie er ist. Jons Problem auf den Grund zu gehen, wagt noch nicht einmal seine Lehrerin Martha. Die Frauen der Insel arbeiten den ganzen Tag, haben jedoch auch Muße, die landschaftliche Schönheit der abgelegensten bewohnten Insel der Welt aufzunehmen. Lars taucht einmal mehr in die ferne Welt Londons ein und will ein neues Leben mit einer anderen Frau beginnen. Als 1961 unerwartet der Unterwasservulkan ausbricht, muss die Insel evakuiert werden. Nur Jon und Marthas Mann Bert bleiben zurück; vielleicht hat ihnen die heiße Lava den Weg abgeschnitten. Fluchtpunkt der Überlebenden ist Kapstadt; dort müssen sie entscheiden, wo sie zukünftig leben werden. Doch zuvor gibt es traumatische Ereignisse aus der Zeit vor der Evakuierung zu klären, die bisher kunstvoll in Legenden verborgen waren, damit sie die verletzliche Gemeinschaft nicht sprengen. Von den Icherzählern Jon und Lars und einem dritten, allwissenden Erzähler werden in Rückblenden die Schicksale der Frauen Lise, Martha und Elise und ihrer kleinen Inselgemeinschaft rekonstruiert. Trotz des jeweils vorangestellten Datums fand ich den Wechsel der Zeitebenen herausfordernd. Jon und Lars als begabten Erzählern bin ich dennoch gern gefolgt. Landschaft, Lebensbedingungen und die Innenwelt ihrer außergewöhnlichen Figuren bringt Marianna Kurtto ihren Lesern in poetischer Sprache nahe.

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