joberlin
Barbara Sichtermann ist bekannt für ihre gutgeschriebenen Frauenbiografien und auch ihr Buch über die Schriftstellerin Mary Shelley enttäuscht nicht. Besonders interessant zu lesen war die Entwicklung und Förderung Marys durch ihren Vater William Godwin, Schriftsteller, Sozialphilosoph und erklärter Anarchist. „ Für Godwin war jeder Tag, an dem nicht gelesen, gebüffelt, geübt und referiert wurde, ein verlorener Tag“, schreibt Sichtermann. Auch ihre Mutter, Mary Wollstonecraft, war Schriftstellerin und eine – für damalige Verhältnisse – außergewöhnlich selbstständige und intellektuelle Frau. Allerdings starb sie kurz nach Marys Geburt, trotzdem dürfte sie für die Tochter stets Vorbild und Ansporn zu freiheitlichem Denken und Tun gewesen sein. Doch als sie sich mit 16 Jahren in den verheirateten Dichter Percy Shelley verliebte, gab es für Mary kein Bleiben mehr im Elternhaus. Shelley vertrat radikal politische Positionen und ganz vehement ein Konzept der freiheitlichen Liebe - kein Mensch, ob Mann oder Frau, sollte exklusiv nur einem Partner gehören. Das galt auch für seine Ehe mit Mary, die ihm wohl oder übel folgte, doch sicher nicht ganz und immer seine idealisierte Vorstellung einer „Shelley-Kommune“ teilte. 1816 traf das Paar den Dichter Lord Byron am Genfer See und hier begann Mary Shelley ihren Schauerroman „Frankenstein“ zu schreiben. Gut gefällt mir, dass Frankensteins neu geschaffenes Wesen von Mary Shelley nicht grundsätzlich und von sich aus böse angelegt war, sondern ja erst durch Abscheu und Ablehnung der Menschen zum Monster wird, das seine schlechten Taten jedoch später bereut. Barbara Sichtermann schreibt gut, manchmal für mich allerdings etwas zu romanhaft ausgeschmückt, doch stets interessant, so dass ich ihr und ihrer Mary gerne gefolgt bin.