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Wer Bridgerton kennt (und liebt) hat wohl schon eine grobe Ahnung, was den Leser erwartet, wenn er ins London 1816 entführt wird. Schimmernde Bälle, eine große Zahl von Heiratswilligen und eine noch größere Zahl von Gerüchten. Ein Skandal jagt den anderen und jeder ist darauf bedacht, nicht zum Mittelpunkt des nächsten zu werden. Doch hier hören auch schon bald die Gemeinsamkeiten von SONNENKÖNIG, PECHRABE und Bridgerton auf. Wer Bridgerton liebt und wer ein Faible für Gay-Romance hat (ja, so geht es auch mir), der wird nicht umher kommen, diesen Roman hier zu lesen. Aber ich möchte eben auch betonen, dass alle, für die Bridgerton zu dramatisch, seicht oder sonst irgendwie nicht passend ist, SONNENKÖNIG, PECHRABE eine Chance geben sollten. Geben müssen ;) Darum geht’s: Große Bälle mögen zwar für Heiratswillige aufregend sein, aber für denjenigen, der sich vor einer Vermählung drückt, für jemanden wie Lord Frederick Melville (Freddy) sind sie der reinste Graus. Edward dagegen geht leidenschaftlich gern auf Bälle, denn hier findet er Arbeit. Reiche Männer, die ihm seine Miete und eine Mahlzeit finanzieren indem er sich ihnen verkauft. Er weiß, wie gefährlich er lebt. Immer nur einen Schritt vom Gefängnis oder einer Hinrichtung entfernt. Daher hat Edward sich seine eigenen Regeln, die ihn schützen sollen, zurechtgelegt. Aber als Edward auf einem Ball auf Freddy trifft, merkt er, wie seine wichtigste Regel bröckelt. Ob es Freddy gleich geht? Steckt mehr hinter der Fassade aus Ablehnung, Hass und wirren Anschuldigungen? Meine Meinung: Wie bereits erwähnt, liebe ich sowohl Geschichten im Bridgerton-Stil, als auch Gay-Romance. Daher ist es kein Wunder, das es für mich unmöglich war, dieser Buch NICHT zu lesen. Tatsächlich aber hat es, als ich SONNENKÖNIG, PECHRABE zu Hause hatte, dann noch ein Weilchen gedauert, bis ich begonnen habe, es zu lesen. Es hat mich einiges an Überwindung gekostet, denn da war eine skeptische Angst in mir. Nicht, dass ich glaubte, das Buch könnte mir nicht gefallen. Ich hatte eher Furch vor dem Ende. Homosexualität zur Regency-Zeit galt geradezu als Schwerverbrechen. Queere Menschen zahlten nicht selten mit ihrem Leben. Oder wie Edward es formulieren würde: „Ein männerliebender Mann konnte sich entscheiden zwischen Tod oder Einsamkeit. Wer die Liebe wählte, würde alsbald auffliegen und zweifelsohne ein grausames Ende finden. Wer das Leben wählte, entsagte sowohl Gewalt als auch wahrhafter Geborgenheit.“ Wie also wäre ein Happy End für diese Lovestory denkbar? Ich selbst bin Romantikerin durch und durch, weshalb ich mit Unhappy Ends stets zu kämpfen habe. Dennoch habe ich nun also den Mut gefunden und wurde belohnt mit einer genialen Geschichte voller Liebe und Emotionen. Doch meine anfänglichen Bedenken hatten auch etwas Gutes und haben mich somit vorbereitet auf all die schweren Thematiken des Romans. Es hat einen Grund, dass das Buch mit einer Triggerwarnung (der etwas anderen Art) beginnt. SONNENKÖNIG, PECHRABE ist zwar ein Liebesroman, aber alles andere als einfach süß, leicht und verzaubernd. Ja, der Roman ist romantisch, leidenschaftlich und gefühlvoll. Aber er ist auch aufwühlend, sensibilisierend, erschütternd und geprägt von der Grausamkeit und Engstirnigkeit der Gesellschaft. Kai Spellmeier fängt die Gesellschaft samt sämtlicher Schokoladen- und Schattenseiten perfekt ein und verschont dem Leser daher nicht die Konfrontation mit Grauen und Gewalt, Folter oder Suizid. Damit wäre nun alles abgehakt, was ich voraussetzend erwähnen möchte, bevor ich meine Leseempfehlung aussprechen kann. Und nun ist es an der Zeit, all die Dinge zu betonen, die ich an dem Buch mochte, geradezu liebte. Und das ist so vieles, dass ich gar nicht weiß, wo anfangen. Freddy und Edward sind beide ganz wundervolle Protagonisten, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Vielleicht ein wenig zu sehr, denn ich habe nicht nur mit ihnen gelacht, sondern auch mit ihnen gelitten. Obwohl die Geschichte in der dritten Person erzählt wird und ich zunächst meine Bedenken hatte, fühlt man sich beim Lesen den Figuren sehr nahe. Neben den großartigen Protagonisten gibt es eine Großzahl von Nebenfiguren. Von derart vielen Figuren zu berichten kann schwierig und verwirrend werden, aber Kai Spellmeier hat die Situation perfekt gemeistert. Ebenfalls gut durchdacht war der Wechsel zu verschiedenen Perspektiven. Im Fokus stehen natürlich Freddy und Edward, aber hier und da werden auch Nebenfiguren genauer vorgestellt. Scheinbar wahllos, dachte ich auf den ersten Blick und war skeptisch. Doch mit der Zeit habe ich Sinn und Zweck dahinter verstanden und genossen, wie der Roman mit jeder weiteren Seite seinen Facettenreichtum präsentiert. Und wenn ich gerade schon von der Erzählweise berichte, leite ich hiervon direkt zum Schreibstil über. Zugegeben, man braucht ein paar Sätze, bis man an den altertümlichen Wortlaut gewöhnt ist. Doch sobald ich dies war, habe ich den Schreibstil voll und ganz genossen. Er wirkt unfassbar kostbar und es ist ein Genuss, weiter und weiter zu lesen. Die Worte zergehen sozusagen wie Blattgold auf der Zunge. Und sie nehmen den Leser gefangen, ziehen ihn in ihren Bann. Ich konnte das Buch ehrlich nicht mehr aus den Händen legen. Womöglich lag das aber auch an der Handlung an sich. Sie ist geprägt von Spannung, Amüsement und hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Edward und Freddy. Es gilt, einen Juwelenraub aufzudecken. Es geht um Leben und Tod. Und dann ist da noch der Enemies-to-Lovers-Touch der Geschichte, durch welchen ich ihr endgültig verfallen bin. Mein Fazit: SONNENKÖNIG, PECKRABE hat alles zu bieten, was ich in Lieberomanen gerne lese. Die (Liebes)Geschichte ist durch und durch überzeugend und ich könnte noch mit hunderten weiteren Worten von ihr schwärmen. Die Geschichte ist aber weit mehr als Unterhaltung. Sie öffnet auch die Augen für eine Gesellschaft voller Engstirnigkeit und Ignoranz, welche leider bis heute nicht in allen Teilen der Welt vergangen ist. Alles an dem Roman ist überaus gelungen, weshalb ich zusammen mit meiner 5-Sterne-Bewertung eine ganz große Leseempfehlung ausspreche. SONNENKÖNIG, PECHRABE wird mich so schnell nicht mehr loslassen, denn ich habe in dem Buch ein wahres Jahreshighlight und neues Lieblingsbuch gefunden. Noch dazu hat es mich in einen Fan von Kai Spellmeier verwandelt – und dies, obwohl (ACHTUNG! SPOILER) mich der Schlusskonflikt ziemlich zerstört hat, schnief. Ich brauche eine Fortsetzung!