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marcello

Posted on 17.7.2022

Lena Kiefer ist schon länger sehr erfolgreich im Buchgeschäft unterwegs und ich habe durchaus einige Bücher von ihr und die Begeisterung darüber wahrgenommen, aber so richtig Klick hatte es noch nicht gemacht, was bei der Breite des Angebots oft auch einfach nur Glückssache ist. Bei ihrer ersten Reihe bei Lyx, Westwell, habe ich nun aber gerade zugegriffen, denn Lyx ist der Verlag, auf den ich mich bei New Adult immer verlassen kann und natürlich haben auch die Cover wieder etwas Besonderes ausgestrahlt. Bei New Adult habe ich mich vor allem an Reihen mit wechselnden Paaren gewöhnt, weswegen ich es durchaus interessiert aufgenommen haben, dass Kiefer hier offenbar die Geschichte eines Paares über drei Bände verteilt erzählen wird. Auch wenn das nicht grundlegend falsch ist, so habe ich in diesem Genre bislang noch leider keine Trilogie gelesen, bei der ich die Geschichte durchgehend stark bis zum Ende empfunden hätte, weswegen gewisse Sorgenfalten nicht zu verheimlichen sind. Dennoch gilt es nun nicht, für die Zukunft zu prophezeien, stattdessen geht es eindeutig vor allem um den ersten Band, der nun erschienen ist und uns mit Helena und Jess vertraut macht. Was in meinen Augen definitiv sehr gut gelingt, das ist die besondere prickelnde Chemie zwischen den beiden Figuren. Es hat sich schnell etwas aufgebaut, wobei ich gerne mitgefiebert habe und ich fand die ganzen intimen Szenen und das Hinarbeiten darauf wirklich gut gemacht. Deswegen ist im Grunde vieles vom Rest egal gewesen, weil für mich einfach klar wurde, ich will das Happy End der beiden miterleben, auch wenn es noch über zwei weitere Bände hinweg erst geschehen wird. Das ist auf jeden Fall schon einmal ein großes Kompliment, weil die unfassbare Chemie zwischen zwei Figuren definitiv die Königsklasse in diesem Genre ist. Etwas schwerer haben es mir aber das Setting und auch Helena als Figur gemacht. Zunächst habe ich gegen die gehobene Gesellschaft als Setting nichts, denn auch „Gossip Girl“ habe ich immer gerne gesehen, das ist also kein No-Go, aber es ist natürlich auch die Frage, wie man es einbindet und was daraus gemacht wird. Die Welt der Westons und Coldwells wird sehr kalt dargestellt und es ist wirklich schwer, sympathische Figuren auszumachen, denn gerade bei den Familien finden sich viele Stolperstellen und ich bin als Leserin schon darauf angewiesen, dass ich vor allem ein solides Set an Sympathieträgern habe, so dass sich die Antagonisten leichter ertragen lassen. Hier kommt aber auch hinzu, dass auch Helena alleine es mir manchmal verdammt schwer macht. Man merkt zwar deutlich, dass sie im Grunde ein sehr sympathischer Mensch ist und auch ihr Bedürfnis, den Ruf ihrer Schwester Valerie wiederherzustellen, kann ich gut nachempfinden, aber wie unverantwortlich und rücksichtslos sie dabei vorgeht, das hat mich schon erschreckt, auch weil es zu ihrem restlichen Charakter nicht zu passen scheint. Wenn es um die Nachforschungen geht, wirkt sie unfassbar mutig mit einem Hang zum Wahnsinn, aber wenn es um die Familie geht, ist sie sehr klein mit Hut. Auch sonst sind mir einige inkonsequente Vorgehensweisen aufgefallen, denn der Boxclub schien zunächst eine große Rolle zu spielen, sowohl für Helena als auch für Jess, ist dann aber einfach unter den Tisch fallen gelassen worden. Auch wenn mir in diesem ersten Band wahrlich nicht langweilig wurde, auch weil ich das Mysterium um den Tod von Valerie und Adam spannend finde, so befürchte ich dennoch, dass dieses künstliche Erzeugen von Drama, weil die Eltern im Hintergrund immer intrigieren, über drei Bände anstrengend werden könnte. Deswegen hoffe ich einfach, dass sich die Ansätze von Helena und Jess als Paar und vor allem auch von ihm als Einzelfigur durchsetzen werden. Denn bei ihm merkt man schon deutlich seine Abscheu, seine innere Rebellion, die er nur für seinen kleinen Bruder zurückstellt. Bei Helena ist es leider noch so, dass sie Loyalität gegenüber etwas zu empfinden scheint, was nur wie Schall und Rauch wirkt. Das ist etwas schade, weil ich mir wünschen würde, dass sie gemeinsam auf einer Seite stehen und das System so richtig auseinandernehmen. Zudem wäre es definitiv hilfreich, noch ein wenig mehr auf die Nebenfiguren zu setzen, dass hier noch mehr sympathisch werden dürfen. Fazit: Lena Kiefer schafft mit dem Auftakt zu „Westwell“ gleich das Kunststück, mich für das Hauptpärchen einzunehmen, weil eine besondere Chemie geschaffen wird. Abseits davon ergeben sich aber auch Schwächen wie inkonsequente Entscheidungen bei Helena oder in der Handlung und es droht auch, mit drei Bänden zu sehr in die Länge gezogen zu werden. Dennoch war der Auftakt spannend und ebnet den Weg, wo noch durchgehend Gutes leicht möglich wäre. Ob das von der Autorin auch umgesetzt wird, muss sich erst noch zeigen.

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