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sursulapitschi

Posted on 16.7.2022

Samira ist sieben Jahre alt und lebt in einem russischen Waisenhaus. Das Leben dort ist hart, aber sie kennt es nicht anders. Es fällt ihr viel leichter, sich den strengen Regeln zu beugen, wie Kindern, die erst später in diesem Waisenhaus gelandet sind. Samira ist es gewohnt, mit wenig Essen auszukommen und versteckt für Notzeiten Brotrinden unter ihrer Matratze. Adoptiert zu werden ist der Traum aller Waisenkinder. Ihre Freundin Marina hat es geschafft. Deutsche haben sie adoptiert und Marina hat versprochen, sie nachzuholen. Als das nicht passiert, macht sich Samira alleine auf den Weg nach Deutschland. Weit kommt sie nicht. Was einem kleinen, niedlichen Mädchen allein auf der Straße so alles zustoßen kann, kann man sich ausmalen. Samira ist wunderhübsch. Alle nennen sie Kukolka, Püppchen. Direkt und schnörkellos erzählt sie hier ihre Geschichte. Aus der Sicht einer Siebenjährigen sieht die Welt anders aus. Ihr Erfahrungsschatz ist begrenzt und wenn ihr jetzt Neues begegnet, nimmt sie es dankbar an. Für sie ist es Luxus, auf dem Sofa in einem baufälligen Haus schlafen zu dürfen. Und wenn Rocky massiert werden möchte, tut sie es klaglos. Immerhin sorgt er für sie und gibt ihr meistens gut zu Essen. Dieser Bericht ist erstaunlich authentisch. Bestürzt verfolgt man, wie ein kleines Mädchen in ihr Unglück rennt und nichts dagegen tun kann. Und zunächst merkt sie noch nicht einmal, dass ihr Schlimmes widerfährt. Als es selbst ihr auffällt, ist sie 13 Jahre alt und hat keine Chance mehr. Eigentlich hatte sie nie eine. „Kukolka“ erzählt die tragische Geschichte eines russischen Mädchens und zeigt, einfach aber plastisch, wie das Leben am untersten Rand der Gesellschaft dort aussieht. Es geht um Kinder, die schutzlos sind, ausgenutzt und missbraucht werden und deren trauriges Schicksal vorgezeichnet zu sein scheint. Dieses Buch liest sich leicht und fesselt. Selten habe ich so schnell ein Buch gelesen, obwohl man es nicht als Vergnügen bezeichnen kann. Es ist ein erschütterndes Buch, aber durch und durch lesenswert.

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