Yvonne Franke
Bei einem Bilderbuch mit dem Titel "Wütend" mit einer Sturm und Feuer schreienden kleinen Heldin auf dem Cover, könnte es sich um einen der zahlreichen Erziehungshelfer in Geschichtenform handeln, die Eltern dabei helfen sollen, ihre aufbrausenden Kinder in den Griff zu kriegen. Was allerdings etwas wäre, vor dem ich mich seit geraumer Zeit grusel und das deshalb hier keine lobende Erwähnung finden würde. Jemandem, den man liebt, beizubringen, die eigenen Gefühle zu unterdrücken – das ist schon eine seltsame Sache. Dieses Bilderbuch aber regt das genaue Gegenteil an, nämlich die starken Gefühle zu feiern. Auch die Wut ausdrücklich willkommen zu heißen und die Kraft zu erkennen, die in ihr steckt. Wenn der dicke Wutkloß mal rausgeschrien ist, ist endlich wieder Platz für Neues. Man beneidet Teckentrups Heldin geradezu um die drachenhafte Kraft mit der sie ihre tosende Wutreise antritt. "Ich bin ein Wirbelsturm. Nichts kann mich halten! Feg über die Erde und nichts bleibt beim Alten!" Erzählt in Versen, die triumphierend an Fahrt aufnehmen, erfindet die Autorin eine Verlockung für Kinder, die sich ansonsten vielleicht lieber still in sich selbst zurückziehen. Ich wünschte "Wütend" wäre 35 Jahre früher erschienen, empfehle also den Erwachsenen, es sich nach dem Vorlesen in die eigenen Tasche zu stecken. Schaden kann es nicht.