auserlesenes
Im Jahr 1969 nehmen die Unruhen in Irland ihren Anfang. Das kümmert die fast achtjährige Amelia Boyd Lovett aber erst einmal wenig. Sie besucht jeden Tag ihr Versteck, um sich ihre Schätze anzugucken: ein kleines Plastikschaf, eine Münze mit einem eingeprägten Gebet, eine Tube Glitzer - und Gummigeschosse, die sie sammelt, seitdem die britische Armee angefangen hat, damit zu schießen… „Amelia“ ist der Debütroman von Anna Burns, der im Original bereits 2001 erschienen ist. Meine Meinung: Der Roman besteht aus 26 Kapiteln, die wiederum in Abschnitte unterteilt sind. Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte: von 1969 bis Mitte der 1990er-Jahre. Immer wieder gibt es Zeitsprünge. Die entsprechenden Jahreszahlen befinden sich am Anfang der Kapitel. Dieser Aufbau ist nicht unkompliziert, aber geschickt komponiert. Der Schreibstil ist dialoglastig und sehr plastisch, manchmal auf schmerzhafte Weise. Die Sprache wirkt nüchtern und schnörkellos und ist gleichzeitig eindringlich. Amelia ist eine reizvolle Protagonistin. Daneben gibt es eine Vielzahl an weiteren Figuren. Inhaltlich ist der Roman keine leichte Kost. Obwohl er schon vor mehr als 20 Jahren verfasst wurde und die Handlung in der weiter zurückliegenden Vergangenheit verortet ist, hat das Thema nicht an Aktualität eingebüßt. Die jüngsten Unruhen in Nordirland haben den Fokus der Öffentlichkeit wieder auf den Konflikt gelenkt. Daher hatte ich mir tiefergehende Einblicke erhofft, die ich leider aber nur teilweise erhalten habe. Allerdings konnte mich die Geschichte dennoch berühren. Der deutsche Titel weicht erheblich von der englischsprachigen Originalausgabe („No Bones“) ab, passt aber natürlich auch. Das erfrischend ungewöhnliche Cover wurde übernommen. Mein Fazit: Auch mit „Amelia“ hat Anna Burns einen sehr speziellen und originellen Roman geschrieben. Trotz mehrerer Schwächen eine insgesamt lohnenswerte Lektüre.