Matzbach
Jens Balzer beschreibt in seinem Buch "Schmalz und Rebellion" mal eben gut 70 Jahre deutscher populärer Musik, wobei der Kontrast im Titel durchaus aussagekräftig ist. Die Schlager der Nachkriegszeit, Stichwort "Caprifischer" waren wirklich schmalztriefend, wohingegen die Musik der 70 und 80er tatsächlich schon mehr als Rebellion gegen die verkrusteten Strukturen in der Bundesrepublik war, eher ein Aufruf zur Revolution, wobei sicher ein gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung mitgespielt hat. Aber es gab sie, die Hymnen von Ton Steine Scherben (Rauchhaus-Song, der bei Balzer allerdings nicht zitiert wird) oder den Bots mit "Das weiche Wasser bricht den Stein". Balzer verwendet hierfür den Begriff Empowerment-Lieder, die damals tatsächlich ein Gefühl der Gemeinsamkeit, ja auch Überlegenheit im Kampf gegen das Establishment oder für Frieden vermittelten. Dabei gab es in Ansätzen auch ähnliche Entwicklungen in der DDR, die rückwirkend betrachtet, sehr viel mehr Mutes bedurften als im Westen, Für mich, der in der Bundesrepublik groß geworden ist, waren gerade diese Kapitel sehr aufschlussreich, da man damals nur sehr wenig von der Musikszene im Osten mitbekommen hat. Leider lässt sich diese Empowerment-Funktion der Musik auch ins Gegenteil verklären, wie Balzer in seiner Darstellung der Rap-Musik und auch der Querdenkermusik beschreibt. Alles in allem stellt "Schmalz und Revoution" einen vergnüglichen Ritt durch die Geschichte der deutschen Populärmusik der letzten sieben Jahrzehnte dar.