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gwyn

Posted on 19.6.2022

«Ich betrachte meine Hände, um zu sehen, ob ich immer noch derselbe Mensch war, jetzt, in Freiheit.» Harriet Tubman wurde als Sklavin geboren und träumte davon, frei zu sein. Durch Zufall trifft sie als Jugendliche auf eine Frau, die ihr Hilfe anbietet, sollte sie jemals welche brauchen. Eines Tages ist es so weit – diese Frau gehört zu der geheimen «Underground Railroad», eine neue Erfahrung für Harriet. Slaven, die Mithilfe dieser Organisation flohen, wurden durch ein Netz von Helfern von Punkt zu Punkt weitergeleitet, erhielten, Essen, neue Kleidung, bis sie in Sicherheit waren. Harriet war gerettet und von dem System fasziniert. Und sie nahm sich vor, dabei zu helfen, noch viele Sklaven in die Freiheit zu führen. «Entweder wir kommen frei oder wir sterben. Freiheit hat nun einmal ihren Preis.» Sie führte ganze Trupps in die Nordstaaten der USA oder nach Kanada, kannte jeden Stein auf der Strecke, spürte die Gefahren. Harriet Tubman war die bekannteste afroamerikanische Fluchthelferin dieser Organisation. Unter dem Codenamen Moses kehrte sie immer wieder in die Südstaaten zurück, um Sklaven auf ihrer Flucht behilflich zu sein. Die meiste Strecke wurde zu Fuß bewältigt, auf Nebenwegen durch die unwegsame Natur. Wichtig war ihre Führung, denn sie hielt die Gruppen zusammen, gab denen Mut, die mittendrin aufgeben wollten; und sei es mit der vorgehaltenen Pistole: Du gehst weiter, oder du stirbst – keiner verrät unsere Wege und Stationen! Wie kein anderer kannte sie sich in der Gegend aus, reiste nachts, begann die Fluchtroute am Wochenende, weil es dauerte, bis das Fehlen eines Sklaven entdeckt wurde und ein Suchtrupp am Sonntag nicht so schnell zusammengestellt werden konnte. Doch in den Nordstaaten lebte es sich gefährlich, denn es gab das Gesetz, geflüchtete Sklaven zurückzuführen. Das wurde zwar lasch gehandhabt, kam aber vor. Auch hier beteiligte sich Harriet, Inhaftierte zu befreien. Deshalb flüchteten viele Sklaven nach Kanada, wo sie frei leben konnten. «Auf meiner Underground Railroad habe ich nie meinen Zug entgleisen lassen, und ich habe niemals auch nur einen Passagier verloren.» Im Amerikanischen Bürgerkrieg arbeitete Harriet als Kundschafterin und Krankenschwester für die Nordstaaten. In ihren späteren Lebensjahren engagierte sie sich in der Frauenbewegung. Die Zeit des letzten Lebensabschnitts mit Sezessionskrieg und der Zeit danach ist kurz gehalten, denn es geht hauptsächlich um die Beschreibung des Sklavenlebens und die «Underground Railroad». Heute zählt Harriet Tubman in den USA zu den bekanntesten historischen Persönlichkeiten des Abolitionismus. Ann Petrys «Harriet Tubman» wurde vom «New Yorker» als «ein bewegendes Porträt» und von der «Chicago Tribune» als «großartig» gelobt. Es ist ein ergreifendes Porträt der heldenhaften Frau, die mehr als 300 versklavte Menschen in die Freiheit führte. Eine Biografie, die schlicht geschrieben ist, eine Mischung aus Abenteuergeschichte und Sachbuch. Die Jugendjahre beschreibt Petry eindrucksvoll, Lebensweise und Arbeitsbedingungen im Süden auf einer Plantage in Maryland am Chesapeake Bay, der krasse Unterschied zwischen Herren und Sklaven. Harte Arbeit, das Geschäft mit Sklaven – wie hier beschrieben, die die Herren «züchten», um sie zu verleihen oder zu verkaufen. Ein Sklave wurde wie Vieh nach Wert berechnet, büchste einer aus, so waren bis zu mehreren Tausend Dollar Verlust abzuschreiben. Petry beschreibt auch eine sehr üppige Landschaft mit Austernbänken, Garnelen, fischreich, wildreich an Land. Heute eine zerstörte Umwelt. Die Sklaven in Maryland fürchteten sich davor, in den tiefen Süden verkauft zu werden, zu dem Baumwollfeldern in sengender Hitze. Das Jugendbuch, ein Klassiker, gibt einen guten geschichtlichen Eindruck der Zeit und präsentiert eine mutige, engagierte Frau, die mit allen Wassern gewaschen war, kämpferisch, nie verzagend, immer eine gute Idee auf Lager. Frauen, die die Welt bewegten, eine schwarze Frau, die sich von niemandem einschüchtern ließ – ein Vorbild. Sie verhalf mehr als 300 Sklaven in die sicheren Nordstaaten und nach Kanada zu fliehen. Hier wird nichts verschönt, verherrlicht oder verkitscht – reportagenhaft geschrieben, bestückt mit historischen Eckdaten zu Gesetzen und Zeitgeschehen, am Ende ein Glossar – eine gute Lektüre. Genau darum empfehle ich das Buch auch als Unterrichtsmaterial. Der Nagel & Kimche Verlag gibt eine Altersempfehlung: ab 12 Jahren; für den ein oder anderen passend. Ich tendiere eher zu ab 13/14 Jahren, aber auch für Erwachsene interessant: Allage. Ann Petry (1908-1997) war Journalistin, Pharmazeutin, Lehrerin und Gemeindeaktivistin. Ihre drei Romane, zahlreichen Kurzgeschichten, journalistischen Texte und Kinderbücher beschäftigen sich mit der Frage, was es bedeutet, Afroamerikaner bzw. weiß zu sein, sowie mit Rassismus in all seinen Facetten. The Street war der erste Roman einer afroamerikanischen Frau, der sich über 1,5 Millionen Mal verkaufte.

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