Gabriele
Solange sich Karla erinnern kann, hat ihre Großmutter in Deutschland gelebt. Doch nach ihrem Tod will sie plötzlich eine traditionelle armenische Beerdigung. Eine ganze Liste mit Wünschen hat sie für diese Gelegenheit zusammengestellt. Unter anderem soll ein Goldreif an eine Frau übergeben werden, die niemand kennt. Grund genug für Karla, ihren Vater zu einer Reise in das Land seiner Vorfahren zu überreden. Laura Cwiertnia, 1987 als Tochter eines armenischen Vaters in Bremen geboren, hat in ihrem Debütroman ein Thema aufgegriffen, von dem ich bisher so gut wie nichts wusste. Natürlich habe ich schon von dem immer wieder verleugneten Genozid gehört, doch mich bisher noch nicht näher damit beschäftigt. Nun wurde ich auf angenehme Weise in die Geschichte der Armenier eingeführt und durfte mich gleichzeitig ein wenig in diesem Land umsehen. In Kapiteln, die jeweils mit dem Namen der darin agierenden Hauptperson überschrieben sind, erzählt die Autorin abwechselnd Geschichten aus der Vergangenheit und der Gegenwart. So ist es möglich, sich ein lebendiges Bild von den einzelnen Familienmitgliedern und ihren schwierigen Lebensumständen zu machen. Besonders gefielen mir die Abschnitte, in denen Deutschland mit einem Augenzwinkern beschrieben wurde: „Nie in seinem Leben hatte er ein saubereres Land gesehen als Deutschland. Selbst die Vorgärten hier sahen aus, als würde jemand regelmäßig mit einem riesigen Staubsauger über jedes einzelne Rasenstück fahren.“ Auf der anderen Seite gehen die Gefühle von Karla, die in der Schule zum ersten Mal davon hörte, dass während des ersten Weltkrieges bis zu 1,5 Millionen Armenier ermordet wurden, tief unter die Haut. Sie erzählt auf eine Weise, die einen regelrechter Sog entstehen lässt und mich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen ließ. Fazit: Ein Roman, der Wissen vermittelt, Gefühle transportiert und in einer sehr angenehmen Sprache geschrieben ist. Mich hat er bereichert, weshalb ich nur raten kann, ihn unbedingt zu lesen!