Dreamworx
Wird den Erwartungen nicht gerecht 1947 München. Inmitten der städtischen Trümmerlandschaft lebt Helene gemeinsam mit ihrer 6 Jahre älteren Schwester Ana und ihrer depressiven Mutter, als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und für alle ein Fremder geworden ist. Helene kann sich mit ihm nicht anfreunden und beschließt, sich von ihrem Vater nicht bevormunden zu lassen. Vor allem möchte sie nicht so werden wie ihre Schwester Ana, die keine Risiken eingehen und es allen recht machen will. Doch Helene hat mit ihren eigenen Lebensvorstellungen nicht viel Glück. Als ihre Mutter Jahrzehnte später schwer krank wird, brechen ihre Erlebnisse aus der Vergangenheit aus ihr heraus, und Helene muss feststellen, wie sehr das Schicksal ihrer Mutter ihr eigenes Leben geprägt hat… Stefanie Gregg hat mit „Die Stunde der Nebelkinder“ den Nachfolgeband ihrer Nebelkinder-Reihe vorgelegt, der nicht nur eine tragische Familiengeschichte in sich vereint, sondern den Leser auch mit schwierigen Themen wie Rassenhass und Missbrauch konfrontiert. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil macht den Einstieg in die Geschichte zwar leicht, jedoch kann die Handlung an den Vorgängerroman leider nicht heranreichen, weil die Protagonistinnen dem Leser diesmal sehr fremd bleiben. Über wechselnde Perspektiven erhält der Leser Einblick in Helenes und Käthes Gedanken- und Gefühlswelt, die oftmals Parallelen aufweisen, obwohl beide vom Charakter her völlig unterschiedlich sind. Die depressive Käthe, deren erste Ehe nicht nur arrangiert und gescheitert ist, auch der zweiten war kein Glück beschert, dazu die Flucht während des Krieges und weitere Schicksalsschläge, die sie sich letztendlich vom Leben zurückziehen lassen. Helene dagegen ist aufmüpfig, rebellisch und will von allem immer zu viel, bis auch sie das Schicksal überrollt und beschädigt wieder ausspuckt. Die Autorin beschreibt die Geschichte von Mutter und Tochter schonungslos offen, was leider oft zu viel des Guten ist und den Leser so immer mehr abschreckt. Auch das von Unterkühlung geprägte Verhältnis zwischen Mutter und Tochter schafft eine Atmosphäre der Kälte und verhindert, dass der Leser mehr Zugang zu beiden Frauen herstellen kann und so eher unbeteiligt die Geschichte folgt, der es zudem an Spannung fehlt. Die Charaktere sind individuell ausgestaltet, jedoch fällt es dem Leser schwer, mit ihnen warm zu werden. So muss er sich mit dem Beobachtungsposten begnügen und die Handlung aus der Distanz verfolgen, was ein Mitfühlen nicht möglich macht. Käthe ist eine gebrochene Frau, die ihre Kriegserlebnisse sowie weitere Schicksalsschläge bis heute nicht verarbeitet hat. Sie hat sich in sich zurückgezogen und leidet für sich, wobei sie alle Verantwortung auf ihre älteste Tochter abwälzt und sich auch nicht um die Jüngste kümmert. Helene ist aufmüpfig, hat ihre eigenen Vorstellungen vom Leben. Sie will sich keine Ketten anlegen lassen und aus dem Vollen schöpfen, was ihr am Ende leider die Flügel stutzt. Helenes Schwester Ana muss früh Verantwortung übernehmen, ist der Ruhepol der Familie und setzt lieber auf Sicherheit und Beständigkeit. „Die Stunde der Nebelkinder“ ist leider keine gelungene Fortsetzung der „Nebelkinder“, denn hier gibt es von allem zu viel. Neben fehlender Spannung und Protagonistinnen, die durchweg fremd bleiben, wirken viele Dinge überzeichnet, wobei die Ausführlichkeit der Ausarbeitung noch beiträgt. Schade, es wäre besser beim wirklich guten ersten Band geblieben. Keine Empfehlung!