Profilbild von Buchdoktor

Buchdoktor

Posted on 8.6.2022

Tambudzai lebt als älteste Tochter mit ihren Eltern und mehreren Geschwistern bei Mutare (früher Umtali) in Rhodesien/ heute Simbabwe. Die ehemalige britische Kolonie Rhodesien wurde 1980 unabhängig. Der Einstiegsband in Tsitsi Dangarembgas Tambudzai-Trilogie setzt ein mit Tambus Erinnerung an den Tod ihres Bruders Nhamo, der 1968 im Internat einer Missionsschule überraschend verstarb. Nhamos Schule wird von seinem Onkel Babamukuru geleitet, der als ältester Bruder des Vaters zugleich erziehungsberechtigt für seine Nichten und Neffen ist. Der Schulbesuch des einzigen Sohnes hat den Bruder dem Dorfleben entfremdet und das Leben seiner Familie schwerer gemacht, weil seine Arbeitskraft fehlt. Tambu erledigt ihre Arbeiten bisher ohne zu murren, da ihre Mutter sonst mehr arbeiten müsste, und auch die jüngeren Geschwister helfen nach Kräften. Kinder gelten als Arbeitskräfte und Mädchen als Vermögensposten, die früh verheiratet werden wie Tambus Mutter. Nhamo hatte sich kurz vor seinem Tod offenbar seinen Sohnes-Pflichten entzogen, indem er Ferienbesuche in den sehr einfachen Verhältnissen vermied. Durch seinen Tod fehlt einerseits das zukünftige Familienoberhaupt (zu dieser Rolle hätte Nhamos Schulbesuch ihn verpflichtet), Tambuzai kann jedoch auf den Platz des Bruders in der Hierarchie nachrücken. Als sie beschließt, zur Schule zu gehen, zeigt sie schon früh Entschlossenheit. Wie Nhamo wird sie von Onkel Babamukuru gefördert und nach streng patriarchalischen Werten erzogen. Der Onkel und seine Frau haben in England studiert (ihre Kinder haben sie begleitet). Beide lehren an der Missionsschule, Maikuru erhält jedoch kein Gehalt. Tambu teilt mit ihrer Cousine Nyasha ein Zimmer und wird durch sie mit der Entfremdung von Babamukurus Kindern gegenüber ihrer Muttersprache Shona und der eigenen Kultur konfrontiert. Eine 14-tägige Weihnachtsfeier mit 24 Personen in Tambus Elternhaus zeigt Strukturen auf, die bis heute die wirtschaftliche Entwicklung afrikanischer Länder und die Emanzipation afrikanischer Frauen behindert haben. Wenn auf offenem Feuer gekocht und Wasser in Gefäßen herangeholt werden muss, bedeutet das einerseits wenig Festlichkeit und endlose Plackerei - für Frauen und Mädchen. Deutlich wird aber auch, dass Babamukuru durch seine Verpflichtung als gebildetes, verdienendes Familienoberhaupt seinen Clan zu unterhalten, selbst auf keinen grünen Zweig kommen kann. Die inzwischen erwachsene Tambu erzählt - mit einigen Längen - rückblickend aus den 60er Jahren, als sie circa 15 Jahre alt war und schließlich durch Leistung ein Stipendium für eine weiße, christliche Eliteschule verdiente. Sie erzählt von „vier Frauen … und „unseren“ Männern“. Auffallend fand ich, wie wenig Tambu sich für Beruf und Biografie ihrer Tante interessiert, wie stark Maikuru durch Unterwerfung die Strukturen stützt und dass es insgesamt schwarze Frauen sind, die anderen schwarzen Frauen die größten Steine in den Weg legen. Mit Nyasha, die von Gleichaltrigen als hochnäsig abgelehnt wird und offen gegen ihren Vater rebelliert, und Tambu, die sich bisher gehorsam den patriarchalischen Strukturen unterwirft, will Tsitsi Dangarembga nach ihrer Aussage in einem Interview schwarzen und simbabwischen Frauen Identifikationsmöglichkeiten bieten. Der 1988 erschienene erste Band der Serie lässt mich mit gemischten Eindrücken zurück, da er durchaus Afrika-Klischees verstärken kann. Als Vorgeschichte, der im Abstand von 18 und weiteren 12 Jahren weitere Bände folgten, zählt er jedoch zu maßgeblichen Klassikern feministischer afrikanischer Autorinnen. -- eine Neuausgabe wird im September bei Fischer erscheinen.

zurück nach oben