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Gabriele

Posted on 6.6.2022

Jeder lebt auf seine Weise Dieses Buch erzählt sehr plastisch die Geschichte einer türkischen Gastarbeiterfamilie. Vier Kinder hat Emine großgezogen, während ihr Mann Hüseyin geschuftet hat, um sich eines Tages in Istanbul eine Wohnung kaufen zu können. Da es nicht möglich war, in seinem kurdischen Dorf Reichtümer anzusammeln, suchte er sich ein Deutschland eine Arbeit und holte dann seine Familie nach. Nun steht er kurz vor der Rente und hat es geschafft. Die Wohnung ist fast fertig eingerichtet. Da erleidet er einen tödlichen Herzinfarkt und die Familie muss anreisen, um ihn nach islamischem Brauch innerhalb von 24 Stunden zu beerdigen. Fatma Aydemir, 1986 in Karlsruhe geboren, hat einen sehr intensiven Roman geschrieben. Sie erzählt in sechs Kapiteln die Geschichte jedes einzelnen Familienmitglieds. Dabei fließen Lebensgewohnheiten aus beiden Kulturen ein, auch ein paar Klischees. Verletzungen werden ebenso wenig ausgespart wie die Liebe zueinander. „Lieben ist immer auch Hadern, immer eine Sehnsucht nach mehr, eine Kränkung darüber, dass nichts perfekt sein kann. Dass man nie einfach zufrieden sein kann damit, wie die Dinge sind“ (Seite 116), ist das Resümee der ältesten Tochter Sevda, die sich mühsam einen Platz im Leben erkämpft hat, nachdem sie erst viel später als alle anderen nach Deutschland geholt wurde. Ohne Schulbildung setzt sie sich durch, erzieht ihre beiden Kinder allein. Etwas, was die Eltern so gar nicht verstehen können. Ganz anders als Peri, die in Frankfurt studiert und dort wie ihre deutschen Kommilitoninnen lebt. Da sie sich mit ihrem kleinen Bruder gut versteht, spielt sie jedes zweite Wochenende zu Hause das brave Mädchen; während der große Bruder Hakan an seiner Unzuverlässigkeit zu scheitern droht. Peri ist meinen Augen die blasseste Gestalt, während Sevda, die Kämpferin mich am meisten beeindruckt hat. Jedes einzelne Familienmitglied hat schon vor dem Tod des Vaters schwere Verluste zu verkraften; auch Emine, die Mutter, die als letzte zu Wort kommt und ein schweres Familiengeheimnis lüftet. Wer in dieses Buch eintaucht, wird so schnell nicht wieder auftauchen. Denn es geht um mehr, als Familienzusammenhalt und Einzelschicksale. Jeder steht für sich und ist trotzdem mit den anderen verbunden. Das zeigt sich daran, wie jeder auf seine Weise um den Vater trauert, der mehr gearbeitet hat, als sich in die Familie einzubringen.

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