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Lesen macht glücklich

Posted on 5.6.2022

Ein Gedankenspiel Wie so viele Romane vor dem Besprochenen, und auch danach, basiert der Stoff, aus dem dieses Drama gemeißelt ist, aus einem Gedankenspiel. Dieses geht darauf zurück, dass der Autor eines Tages, als er noch in Berlin lebte, eine Erzieherin des Kindergartens sagen hörte, dass man die Kinder in dieser Großstadt auch ruhig mal eine Station alleine fahren lassen kann und dann hinterherfährt, um sie wieder einzusammeln. Das lässt sie selbstständiger werden und kann dem Kind sicher nicht schaden. Doch was ist, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen, die dieses eigentlich simple Vorhaben torpedieren und zu einem Albtraum werden lassen? Das spielt Arne Ulbricht in seinem Roman „Aulaskimo“ durch, der in Berlin an einem einzigen Nachmittag/Abend spielt. Wenn es nicht so läuft wie geplant Klaas trifft aus der Laune heraus direkt am Bahnsteig eine Entscheidung. Er möchte, dass die Kinder die eine Station zum Bahnhof Zoo alleine vorfahren und die Eltern dann nachkommen. Die zwei Kinder im Alter von 7 und 4 sollten einfach auf dem Bahnsteig auf die Eltern warten. Klaas‘ Frau Xenia ist dagegen, weil es an einem Samstag ist, viel lost ist und generell sich ihre Haare dagegen sträuben. Doch Klaas will nicht nachgeben und letztendlich fahren die Kinder alleine voraus. Sobald die Türen sich geschlossen haben, bereuen sie schon beide ihren Entschluss. Als auch noch die Durchsage kommt, dass der nachfolgende Zug sich verspätet, verdichten sich die Anzeichen, dass ihnen die Situation entgleitet. So kommt es auch, als sie nach endlosen zehn Minuten des Wartens, was in Berlin einer Ewigkeit gleichkommt, in den nächsten Zug einsteigen können und am kommenden Halt ihre Kinder nicht vorfinden. Damit beginnt ein Tag voller Vorwürfe, Gewalt, Selbstmitleid und Selbstfindung der beiden Eltern. Erst bei der Suche nach ihren Kindern, dann bei der Suche nach sich selbst. War der Riss vorher schon da? Als Paar, egal ob mit oder ohne Kinder, muss man immer Kompromisse eingehen. Immer wieder müssen Entscheidungen getroffen werden, die mal zugunsten des Einen oder der Anderen ausfallen. Soweit ist das alles kein Problem. Sobald aber Kinder ins Spiel kommen wird es kompliziert und die Kompromisse überschlagen sich. So is es auch bei Klaas und Xenia. Waren beide vorher ein Paar mit bestimmten Vorstellungen von ihrer Partnerschaft und dem, was sie aus ihren eigenen Leben machen wollen, wurde das durch die Kinder vollkommen auf den Kopf gestellt. Vor allem Xenia, die mit ihrer Malerei kurz vor der Schwelle steht, so stark gefördert zu werden, dass sie von dieser Malerei leben könnte, lässt diesen Traum fallen. Depressionen fallen über sie her, die sie vor ihrem Mann verheimlicht und diese Krankheit mit sich selbst ausmacht. Doch dadurch verschließt sie sich vor Klaas und der versucht, sie aus ihren Schatten hervorzuholen, wodurch sie sich immer mehr verschließt. All diese Tatsachen, die ihr Leben bis zu diesem schicksalsträchtigen Tag geprägt haben, kommen durch das Verschwinden der Kinder zum Vorschein und die Existenz ihrer Beziehung zueinander wird dadurch in Frage gestellt. Und die Kinder? Die rücken dabei nach und nach in den Hintergrund, da sich die Erwachsenen irgendwann mit sich selbst beschäftigen, sich selbst von den Sorgen weglenken, die sie wegen dem Verschwinden der Kinder umwehen. Interesssange Ausgangslage, die sich dann selbst verirrt Die Ausgangsidee zu diesem Buch ist interessant und erzeugt von der ersten Seite eine immense Anspannung, da man als Leser*in ja weiß, dass der Grundgedanke, die Kinder allein mit der U-Bahn fahren zu lassen, schief gehen wird. Was danach in der ersten Hälfte des Buches passiert ist der Horror für alle, die selber Kinder haben, und an nervenaufreibender Intensivität nicht auszuhalten und gerade deswegen sehr interessant geraten. Ständig hinterfragt man sich, was man selbst in dieser Situation tun würde, wenn einem die eigenen Kinder in einer Großstadt wie Berlin abhandenkommen. Das alles passt wunderbar bis zu dem Zeitpunkt zusammen, bis sich die Wege der Eltern trennen, die sich vorher verständlicherweise heftig gestritten hatten. Doch sie gehen nicht auseinander, um getrennt nach den Kindern zu suchen. Nein, sie machen vielmehr einen drauf, um sich von ihren eigenen Problemen abzulenken. Ab diesem Zeitpunkt sind die Kinder zwar nicht egal, immer auch mal wieder in Gedanken dabei, aber sie rücken eindeutig in den Hintergrund. Die Handlungen von Klaas und Xenia wirken völlig irrational und wirr. So entsteht eine abgekapselte zweite Hälfte, die aufzeigt, was die beiden in der Nacht nach dem Verschwinden ihrer Kinder machen und das wirkt alles vielmehr, als hätten die beiden nun etwas nachzuholen, was sie, seit die Kinder da sind, verpasst haben. Da hilft dann auch der Abschluss nicht mehr, der aufzeigt, was nach dem vermeintlichen Verschwinden der Kinder wirklich passiert ist. Das Ende des Buches ist dann wiederum sehr passend gelungen, da die Figuren ihrem Schicksal selbst überlassen werden und jede*r Leser*in in seinem Kopf weiterspinnen darf, wie es Xenia, Klaas und den Kindern mit der neu geschaffenen Realität ergehen wird. Denn eines ist gewiss, spurlos wird dieser Tag an keinem vorüber gehen und die Familie verändert in die Zukunft schicken. Aulaski… Was? Das Fazit klingt nun natürlich harscher, als das Buch letztendlich nicht so schlecht ist. Allerdings unter der Grundvoraussetzung, was die Ausgangsidee für Erwartungen schürt, war die zweite Hälfte des Romans in eine nicht erwartbare Richtung gelaufen. Klarer . Und wie kommt nun der Titel des Romans zustande? Müsste dieses Wort detaillierter erklärt werden, dann wird auch das Ende halbwegs verraten. Eines kann an dieser Stelle aber verraten werden. Es ist ein Kunstwort, dass zufällig erfunden wird und keinen besonderen Bezug zur eigentlichen Geschichte hat und doch im Zusammenhang mit dieser steht. Dafür müsst ihr aber bis zum letzten Kapitel lesen, um es zu verstehen und nachvollziehen zu können.

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