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trinschen

Posted on 2.6.2022

„Sechzehn Pferde“ ist ein Roman, der ebenso faszinierend wie verstörend ist. Auf den ersten Blick erwartet man einen Krimi: Sechzehn Pferdeköpfe werden eingegraben auf einer Weide einer Farm in einem englischen Küstenort Ilmarsh entdeckt. Cooper Allen wird als Veterinärforensikerin zum Tatort gerufen, um bei der Aufklärung des Falles zu helfen. Vier Tage bekommt sie, länger sollten die Ermittlungen nicht dauern. Dass diese vier Tage bei weitem nicht reichen und dass hinter den toten Pferden viel mehr steckt, als es auf den ersten Blick scheint, ahnt man als Leser bereits nach den ersten Seiten: Cooper sitzt bei ihrer Therapeutin und es wird deutlich: in Ilmarsh ist etwas passiert, über das sie nur schwer sprechen kann. Rückblickend wird dann der Fall der Pferdeköpfe erzählt, dabei wechselt die Erzählperspektive von Cooper zu Detective Inspector Alec Nichols und zurück. Auch diverse anonyme Personen und die 16-jährige Rebecca, die die Pferdeköpfe entdeckt hat, erzählen ihre Perspektive der Geschehnisse. Schnell wird dem Lesenden klar: Es geht hier um mehr als nur die Ermordung der Pferde. Es geht um verborgene Familiengeschichten, Gewalt, Liebe und Rache, alles wie ein Puzzle vor den Ermittlern ausgekippt. Am Ende schließt sich der Kreis, Cooper fasst der Therapeutin schließlich zusammen, was passiert ist. Und in welches Genre lässt sich das Buch jetzt einordnen? Das ist schwer zu sagen, es ist auf jeden Fall nicht nur ein Roman, wie das Cover vermuten lässt. Es ist auch mehr als ein gewöhnlicher Krimi, es gleicht phasenweise eher einem Psychothriller, ist aber gleichzeitig auch eine Sozialstudie einer englischen Kleinstadt, vielleicht sogar eine Dystopie? Durch den klaren Schreibstil, die kurzen Kapitel und die Perspektivwechseln fesselt das Buch. Die Handlung nimmt einige Umwege, landet auch in Sackgassen, schaut hinter diverse Türen, um sich am Ende wieder auf das Wesentliche zu Fokussieren: die Sechzehn toten Pferde, deren Mörder und das Motiv, das dahintersteckt. Ich hätte das Buch in einer Buchhandlung wahrscheinlich nicht in die Hand genommen, da Cover und Titel mich nicht zum Lesen gereizt hätten, aber jetzt bin ich froh über diese Leseerfahrung und dass das Buch als Gewinn seinen Weg zu mir gefunden hat.

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