Dreamworx
Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. (Heinrich Heine) 1913 München. Die 19-jährige Elly Grafenstetter ist überglücklich, dass sie in der Buchhandlung in der Amalienstraße einen Ausbildungsplatz bekommen hat, denn sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht in eine Ehe gedrängt werden. Auch ihre beste Freundin Henni wird dort als Ladenhilfe angestellt, die beiden Frauen finden nichts schöner als Lesen. Zudem wollen sie ihre Idee umsetzen und einen Schriftstellerinnen-Salon gründen, doch zur damaligen Zeit werden sie als Frauen leider nicht ernst genommen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht und Hennis Bruder Zacherl und sowie der mit ihnen befreundete Buchhändler Leo sich zum Kriegsdienst melden, steht es für die Buchhandlung nicht zum Besten, denn die Menschen brauchen andere Dinge als Bücher. Zudem erschwert die Zensur den Verkauf von Literatur. Aber weder Elly noch Henni wollen die Segel streichen und kämpfen für ihren Traum... Heidi Rehn hat mit „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Kaiserzeit des letzen Jahrhunderts zurückführt, sondern ihn auch mit zwei jungen Frauen bekannt macht, die ihren Traum leben wollen und dabei an Grenzen stoßen. Die Autorin mixt gekonnt Fiktion mit realen Fakten und belegten Personen und führt den Leser mit locker-flüssigem Schreibstil ins vergangene Jahrhundert in eine Zeit des Umbruchs und des Krieges. Der Zeitrahmen der Geschichte spannt sich von 1910 bis 1919. Der Leser trifft auf zwei Frauen mit unterschiedlichem gesellschaftlichem Hintergrund, die schnell enge Freundinnen werden und die Liebe zu Büchern teilen. Elly kommt aus gutem Hause und soll nach Wunsch ihrer Mutter die Ehe mit einem Mann eingehen, den Elly nicht ausstehen kann und sich hier behaupten muss. Henni dagegen stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat aber gerade deshalb wohl Courage genug, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Während der Leser das Schicksal der beiden Frauen beobachtet und in die Anfänge der Frauenbewegung eintaucht, entdeckt er im Hintergrund das München von damals. Dass Frauen zur damaligen Zeit einen Beruf erlernten, war eine Ausnahme, denn normalerweise war ihnen die Rolle der Ehefrau und Mutter zugedacht. Rehn hat den historischen Hintergrund gut recherchiert und mit ihrer Geschichte verwoben. Der Ausbruch des Krieges und die damit einhergehende Folge, dass Bücher eine Art Luxusgut waren und auch der Zensor eine Rolle spielte in Bezug auf den Inhalt der diversen Lektüren ist heute kaum denkbar, zeigt aber auch, wie engstirnig bzw. pragmatisch damals gedacht wurde. Die Handlung selbst plätschert eher vor sich hin, es gibt kaum wirkliche Höhen und Tiefen, so dass einige Strecken recht langatmig erscheinen, in denen vor allem die politische Lage sehr ausufernd beschrieben wird und so von den beiden Protagonistinnen sehr ablenkt. Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und mit authentischen Eigenschaften ausgestattet. Der Leser agiert aber eher als Statist, da sich eine Nähe zu den Protagonisten nicht einstellen will. Elly ist eine Frau, die weiß, was sie will und dies auch durchsetzen möchte. Sie wirkt oftmals anstrengend, selbstsüchtig und übergriffig. Henni ist selbstbewusster als Elly, was allein schon ihrem familiären Hintergrund geschuldet ist, da sie sich immer alles erkämpfen musste. Leo und Zacherl werden nur oberflächlich skizziert, bleiben somit recht blaß und ohne Tiefe. „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ ist ein historischer Unterhaltungsroman, der dem Leser einen guten Einblick ins München der damaligen Zeit bietet und nebenbei das Rollenbild der Frau zu jener Zeit thematisiert. Gute Hintergrundrecherche sowie die Verknüpfung von Fiktion und Realität sorgen hier leider nur für eine eingeschränkte Leseempfehlung, da die Protagonisten fremd blieben und der Leser nur außen vor als mittendrin war!