Sofia :)
Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar! Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider. Aufmachung: Also, Freunde. „Die Marveller“ gibt es offensichtlich auch als ebook. Aber bitte, bitte kauft euch das Print!!!!! Es ist einfach so wunderschön!!!!! Alleine schon die goldenen Highlights auf dem Cover im Titel und den Details sind ein absoluter Blickfang, ganz zu schweigen davon, dass das Cover wirklich ein Glanzstück für sich ist. Aber auch die Innengestaltung ist die volle Punktzahl wert! Im Buchdeckel findet man den Grundriss des Außengeländes des Instituts, auf den ersten Seiten eine Übersicht über die Paragone mit ihrem jeweiligen Logo, das auch unter die einzelnen Kapitelüberschriften abgedruckt ist. Zu Beginn der einzelnen Teile, in die das Buch gegliedert ist, ist eine Zeichnung eines Flaschenbaums abgebildet, und nach den Kapiteln finden Ausschnitte aus Ellas „Sternenpost“, sich Zeitungsausschnitte, teilweise kleine oder größere Zeichnungen, wie das Institutsgebäude von vorne oder ein Fahnungsposter. Das Buch ist mit so viel Liebe aufgemacht, dass es unabhängig vom Inhalt alleine deshalb schon unheimlich viel Spaß macht, es durchzublättern. Dafür, dass das Buch nur 16,00 € kostet, bekommt man hier also mehr, als man verlangen kann. Meine Meinung: Meine Meinung zum Inhalt fällt ähnlich begeistert aus. Zwar ist „Die Marveller“ mit einer elfjährigen Protagonistin eindeutig an wesentlich jüngere Leser*innen gerichtet, aber auch ich als Erwachsene hatte beim Lesen unglaublich viel Spaß und war gleichzeitig positiv überrascht davon, wie viel ich hieraus mitnehmen konnte. Falls ihr also skeptisch seid, ob das Buch angesichts der Zielgruppe etwas für euch ist: braucht ihr definitiv nicht. Wenn ihr gerne (Urban) Fantasy lest, werdet ihr auch an „Die Marveller“ viel Freude haben! Vor allem anfangs sind mir beim Lesen noch einige Parallelen zu Harry Potter aufgefallen, was aber aufgrund der Zauberschule für Kinder als Setting auch nicht weiter verwunderlich ist. So ist die Protagonistin Ella wie Harry in ihrem ersten Jahr elf Jahre alt, die „Zauberer“, hier „Marveller“ genannt, werden in fünf „Paragone“ aufgeteilt, was an die vier Häuser von Hogwarts erinnert, es gibt eine starke Zauberin, die vor einigen Jahren in Ungnade gefallen ist und hier die Rolle des Bösewichts einnimmt, und die Protagonistin stellt sich allen Gefahren zusammen mit ihren beiden Freunden. Das Grundgerüst ist also sehr ähnlich, je nach Ansicht vielleicht sogar so sehr, dass es schon ins Negative fällt. Mich hat es allerdings gar nicht gestört, denn abgesehen von der gleichen Basis haben Harry Potter und „Die Marveller“ nichts gemeinsam. Das fängt schon mit dem Magiesystem an, das außer der Aufteilung in die fünf Paragone nichts mit dem aus Harry Potter gemein hat. So sind die einzelnen Paragone nochmals in gefühlt unendlich viele Unterformen der Magieausprägungen unterteilt, deren Besitzer alle jeweils Unterschiedlichstes können. Daneben gibt es noch die Fabulierer, die anders als die Marveller, die bereits Vorhandenes manipulieren, Dinge zum Wachsen und Entstehen bringen können. So ganz habe ich die Funktionsweise der unterschiedlichen Magiearten noch nicht verstanden, und angesichts der vielen verschiedenen Möglichkeiten ist es auch sehr schwierig, da den Überblick zu behalten, aber der Grundstein ist gelegt und bietet sehr viel Potenzial für die Folgebände, dieses auszuschöpfen. Darüber hinaus geht auch das gesellschaftliche System, das dem Buch zugrunde liegt, weit über alles hinaus, was man jemals in allen sieben Harry Potter-Bänden jenseits von Hogwarts erfährt. Zum einen, weil es in jeder Hinsicht divers ist, zum anderen, weil damit (auch in der Realität bestehende) soziale Strukturen hinterfragt werden, und man sich im Laufe der Handlung zwangsläufig fragt, ob die Einteilung in „gut“ und „böse“, wie sie vorgenommen wird, wirklich sinnvoll und überhaupt erst möglich ist. „‚Unsere Welt tut so, als sei sie allem und jedem gegenüber offen, dabei ist sie das in Wahrheit nur für die wenigsten. Für diejenigen, die sich an die Grenzen halten, die ihnen auferlegt werden. Unsere Geschichte ist turbulant. Wir haben nicht immer problemlos zueinandergefunden. Nicht so, wie wir es gerne behaupten. Mit Worten sind wir ganz groß. Aber es ist eine Sache, gesagt zu bekommen, dass man dazugehört, und eine völlig andere, es auch gezeigt zu bekommen. […].‘“ (S. 442) So haben alle beteiligten Parteien ihre eigenen Motive, die per se vielleicht alle nicht unbedingt schlecht sind. Durch Ellas Aufmerksamkeit und Aufgewecktheit erkennt man schnell, dass die Entscheidungen, die die Marvellergesellschaft getroffen hat und weiterhin trifft, nicht alle so richtig sein können, wie sie es darstellen, und dass das Arkanum möglicherweise vieles verdeckt. Trotzdem muss man anerkennen, dass die dahinterstehenden Motive für sich genommen durchaus berechtigt sind; bloß an der Umsetzung hapert es vielleicht. Auf der anderen Seite bekommt man durch kurze Kapitel zwischendurch aus der Sicht einer mysteriösen Frau, deren Identität erst mit fortlaufender Handlung klar wird, einen Blick auf die vermeintlich „böse“ Seite. Auch hier stellt man fest, dass sie mit ihren Motiven vielleicht nicht unbedingt so falsch liegt, wie das Arkanum es darstellt, aber die Art, wie dessen Gegenspieler versuchen, ihre Ziele zu erreichen, ebenso wenig „richtig“ ist, wie die Weise der Marveller, ihre Werte zu schützen. „Die Marveller“ stellt hier die Einordnungen in „schwarz“ und „weiß“ infrage und zeigt auf, dass es eigentlich nur Grautöne gibt und es viel wichtiger ist, miteinander zu kommunizieren und sich in den anderen hineinzuversetzen, als seine Handlungen von vornherein zu verurteilen. Die Autorin hat es dabei geschafft, diese Aussage so subtil in den Konflikt des Buches einzubauen, dass dem Leser zwar deutlich wird, worauf sie hinaus möchte, ohne dabei jedoch den mahnenden Zeigefinger zu heben. Das hat mir sehr gut gefallen, ebenso die Einarbeitung des Alltagsrassismus in die Geschichte, mit dem die Protagonistin regelmäßig konfrontiert wird. Ella stammt aus einer Fabulierer-Familie, ebenfalls Zauberer, aber nach dem gesellschaftlichen System, in dem die Marveller buchstäblich über den Fabulierern stehen und leben, nicht die „richtige“ Art Magiebegabter. Auch hier findet sich also zum einen die eben angesprochene Gegenüberstellung von „gut“ und „böse“, aber damit werden auch Parallelen zum real existierenden Rassismus gegenüber PoC gezogen; ebenfalls wieder ohne symbolischen Fingerzeig, aber so deutlich, dass der Leser die Ungerechtigkeiten nachempfinden kann. Das liegt zum Teil auch an der Protagonistin Ella, die für ihre elf Jahre zwar noch sehr jung ist, in die man sich aber trotzdem auch als Erwachsener nicht weniger gut hineinversetzen kann. Zwar verhält sie sich insbesondere in Bezug auf Emotionalität und guten Glauben ihren Mitmenschen gegenüber ihrem Alter entsprechend, dennoch niemals etwa unkontrolliert impulsiv oder naiv. Natürlich macht sie Fehler, wie jedes andere Kind auch, aber sie ist reflektiert, wächst an ihren Fehltritten und Aufgaben und ist darüber hinaus überaus aufgeweckt, clever und handelt zudem sehr überlegt. Ich denke, vor allem als jüngere Leserin hätte ich in ihr ein großartiges Vorbild gesehen, aber auch jetzt war ich sehr beeindruckt vor allem davon, wie besonnen und reif sie in jede Situation geht und wie viel sie bemerkt, was mir selbst beim Lesen gar nicht aufgefallen ist. Sie stellt Verbindungen her, auf die ich niemals gekommen wäre und die mich jedes Mal überrascht haben. Dabei kann sie vor allem die Art, wie insbesondere die Erwachsenen, aber auch ihre Mitschüler mit ihr umgehen, sehr gut einschätzen und lässt sich nichts weismachen. Ella ist eine tolle Protagonistin, über die ich gerne noch mehr lesen möchte! Zuletzt hat mich auch das Erzähltempo der Autorin zu 100 % überzeugt! Sie versteht es, schnellere Szenen, in denen viel passiert und Ella in Gefahr ist, mit langsameren Momenten, in denen Geheimnisse aufgedeckt oder neue Fragen aufgeworfen werden oder die dem Characterbuilding dienen, so abzuwechseln, dass man stets gefesselt ist, mitfiebert und weiterlesen will. Sehr raffiniert fand ich hier die oben bereits erwähnten kurzen Kapitel aus der Sicht der mysteriösen Frau oder die Einschübe zwischendurch in Form von Zeitungsartikeln oder Interviews, in denen dem Leser ein Überblick auf das gewährt wird, was außerhalb von Ellas Wahrnehmung passiert. So wird nicht nur die Gestaltung des Buches in die Geschichte integriert, man hat auch gleich ein größeres Bild von dem Geschehen als die Protagonistin und weiß ein wenig mehr als sie. Dennoch verrät die Autorin damit nicht so viel, dass man sich die großen Twists vorher erschließen kann; im Gegenteil steigert sich die Spannung durch die eigenen Theorien, die von den Zusatzinformationen gefüttert werden, nur weiter. Insgesamt wird dadurch die Erzählung rund und in sich schlüssig, es wird ein Universum geschaffen, das so tatsächlich existieren könnte. Man glaubt der Autorin jedes Wort, das sie schreibt. Ich freue mich auf die Fortsetzung! Fazit: Wir alle kennen mindestens eine Geschichte über eine Zauberschule für Kinder, und obwohl „Die Marveller“ an einigen Stellen (die fünf Paragone aka Häuser, das verzauberte Gebäude, der magische Unterricht) sehr stark an Harry Potter erinnert, steht diese Geschichte doch fest auf eigenen Beinen! Das Magiesystem, die gesellschaftlichen Strukturen der Marveller und Fabulierer und die einzelnen Figuren sind mit so viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, dass man sich schon nach wenigen Seiten im Arkanum verliert und gar nicht mehr weg möchte. Darüber hinaus bietet „Die Marveller“ einen ernsten Hintergrund, der zum Nachdenken anregt, ohne den Finger zu erheben, und überzeugt mit einer hohen Plotdichte und vielen Überraschungen, die definitiv auch Erwachsene begeistern können. Ich habe nichts auszusetzen und freue mich auf die Fortsetzung! 5/5 Lesehasen.