Rebecca
Rezension: "Sehnsucht und Skandal" von Emma Hunter Das Cover zum ersten Band der „Somerset Chronicles“ ist hell und freundlich, geradezu strahlend und idyllisch gestaltet worden. Während man im Hintergrund ein großes weißes mächtig wirkendes Herrenhaus erblicken kann, führt ein wenig weiter vorn ein kleine Brücke über einen Bach, an deren Übergang ein schmaler Kiesweg anknüpft. Auf diesem Weg kommt uns immer weiter in den Vordergrund rückend eine junge Frau entgegen, rings um sie herum nur grüne Wiese und blauer Himmel. Sie trägt ein rosa-pinkfarbenes Kleid, hat ihre blonden Haare unter einem farblich passenden Hut verborgen, dazu Handschuhe. Insgesamt kann man nur äußerst wenig von ihrem Körper erkennen, denn nahezu jedes Fleckchen ist mit Stoff bedeckt, wie es sich in der damaligen Zeit gehörte. Der Reihen- und auch Bandtitel steht mittig in der unteren Hälfte der Coverfront abgedruckt. „Somerset“ in großen Blockbuchstaben und „Sehnsucht und Skandal“ in dünner filigraner Schreibschrift. Wenn wir schon bei den Titeln angekommen sind, dann hier auch gleich meine Vermutungen. Mit „Somerset“ wird wohl ein Teil des Handlungsortes der Geschichte gemeint sein, denke ich. Was den Titel dieses ersten Bands angeht – für mich setzte er einen großen Kontrast zwischen den eigenen Gefühlen und gesellschaftlichen Zwängen. Dass man förmlich hin- und hergerissen ist und keine Zustimmung für eine selbst getroffene Wahl erhält. Außerdem erwartete ich Geheimnisse, Lügen und selbstverständlich einen schockierenden Skandal – und war sehr gespannt auf die Geschichte. Charaktere Isabella Woodford ist die Tochter eines Chirurgen und hatte schon immer andere Interessen, als es sich ihre Familie oder die Gesellschaft von ihr gewünscht hätten. Um nach einem Fehltritt den Ruf ihrer Familie zu retten, reist sie mit ihrer bäuerlichen Begleiterin Betty auf der Suche nach einem angemessenen Ehemann zu ihrer Tante nach Bath. Isabella wirkt noch recht jung und naiv, hat sich verführen lassen und trägt nun eine große Last auf ihren Schultern. Auch wenn die Familie ihrer Tante keine allzu gute Unterstützung ist, findet sie in Wirtshausbesitzerin Rebecca schnell eine neue Freundin und Verbündete. Im Verlauf der Geschichte ist stark auffällig, dass Isabella keine Entscheidungen für sich selbst trifft, aus ihrer Situation nichts gelernt zu haben scheint und oftmals recht hormongesteuert, willenlos und ohne klaren Verstand wirkt. Alexander Wilkinson ist Tuchhändler und hat sich im Laufe der Jahre ein sehr erfolgreiches Stoffimperium aufgebaut. Gemeinsam mit seinem besten Freund Tom Miller führ er die Geschäfte und hat sich ein beträchtliches Vermögen erwirtschaftet – und das sogar ohne einer der oberen Schichten anzugehören. Er hasst die feiner Gesellschaft und gibt sich meist nur widerwillig mit ihnen ab. Seitdem er von seiner ehemaligen Verlobten betrogen worden ist, vertraut Alexander nicht leichtfertig und hat sich geschworen, nie wieder zu heiraten. Auf einmal tritt eine besondere Frau in sein Leben und er nimmt einen gefährlichen Auftrag an, um seine weitere Zukunft zu sichern. Stück für Stück bringen diese beiden Gegebenheiten seine Entscheidungen und Grundsätze stark ins Wanken und er muss seine Einstellungen überdenken. Schreibstil und Handlung Für mich war „Sehnsucht und Skandal“ das erste Buch von Autorin Emma Hunter und ich denke, dass es grundsätzlich auch nicht meine letzte gewesen ist. Die Geschichte von Isabella und Alexander ist durchgehend in der dritten Person, aus Sicht eines allwissenden Erzählers, geschrieben worden. Die Kapitel hatten eine angenehme Länge und so konnte man direkt eintauchen und das Buch stellenweise auch nicht mehr aus der Hand legen. Kommen wir zunächst zum Schreibstil: Dieser war insgesamt recht flüssig, ließ sich meistens gut lesen und hat stellenweise auch immer neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte gemacht. Durch äußerst bildhafte und detailgetreue Szenenbeschreibungen wurde man das ein ums andre Mal direkt in eine bereits vergangene Zeit entführt. Durch die gewählte Erzählperspektive hat man eine Vielzahl an Gedanken der Charaktere vermittelt bekommen, die sich oftmals aber auch wiederholt haben, wohingegen die Gefühle der Protagonisten leider stark in ihrer Übermittlung auf der Strecke geblieben sind. Sprachlich gesehen war der Ausdruck der einzelnen Personen durchaus zeitgemäß, je weiter die Handlung allerdings voranschritt, umso eher schlichen sich modernere Wörter und Phrasen ein, die zu modern oder gar übertrieben gewirkt haben. Auch ein wenig gestört hat mich, dass sowohl romantische als auch spannende Szenen nicht abschließend ausgeführt worden sind. Sie wurden angeteasert, es kam ein Absatz und es ging an einer ganz anderen Stelle weiter und das hat mich, je häufiger es der Fall gewesen ist, irgendwann dann doch recht frustriert, dass so viel der eigenen Fantasie überlassen wurde. Dadurch bedingt wollte ich zwar auch immer und immer weiter lesen, weil ich darauf gehofft habe, auch mal eine ausgeführte Szene zu erhaschen – aber meist vergeblich. Inhaltlich gesehen war der erste Band der „Somerset Chronicles“ unglaublich abwechslungsreich. Die Geschichte von Isabella und Alexander beschäftigte sich nämlich nicht nur mit ihrer gegenseitigen Anziehung, sondern auch stark mit der gesellschaftlichen Etikette oder gar politischen Situationen der damaligen Zeit. Verbunden mit einem bunten Mix an Gefühlen, einer etwas stärkeren Prise Erotik, mysteriösen Geheimnissen und ernstzunehmender Detektivarbeit wurden einige Genrebereiche bedient und haben für ein nicht gerade langweiliges Zusammenspiel gesorgt. Man merkt eindeutig, dass sich die Autorin intensiv mit der Regency-Zeit und auch den dortigen Moralvorstellungen etc. auseinandergesetzt haben muss, um die Story authentisch herüberbringen zu können. Isabella und Alexander waren als Charaktere recht stur und nur schwer von ihren eigenen Meinungen abzubringen. Während sie mir oftmals zu stur und naiv gewesen ist, war er mir zu ignorant und gefühlskalt. Sie hatten beide ihre guten Seiten, aber durchaus auch Ecken und Kanten, die es zu umschiffen gab. Neben ihnen bot die Geschichte mit Betty und Rebecca noch zwei sehr interessante Nebencharaktere, die die Neugier auf weitere Geschichten aus Somerset bereits geschürt haben. Allerdings gab es leider auch inhaltlich einen etwas größeren Kritikpunkt für mich. Am Anfang war ich noch absolut mitgerissen und wollte immer mehr, aber ab der Mitte etwa gab es einige Dreh- und Wendepunkte, die mich nicht so ganz zugesagt haben. Oftmals wirkte die Geschichte auf mich vollkommen überladen von all den verschiedenen Handlungssträngen und gefühlt wurde mit jedem Handlungsfortschritt immer weniger auf die einzelnen Bereiche eingegangen. Während es viele gedankliche Wiederholungen und ausufernde Szenenbeschreibungen gab, hätte man an der Stelle vielleicht lieber ein bisschen gekürzt, um die Handlung weiter auszuführen. Auch das Ende wurde all den individuellen Handlungsbereichen nicht gerecht. Alles wurde auf einmal viel zu schnell abgehandelt und auch die Auflösung bzgl. Alexanders Auftrag war nicht wirklich logisch durchdacht. Insgesamt fehlte es der Geschichte im Verlauf immer mehr an Tiefe und Logik, was mich leider am Ende etwas frustriert zurückgelassen hat. Für den nächsten Band der „Somerset Chronicles“ wünsche ich mir ein bisschen mehr Fokus, vielleicht ein paar weniger Themenbereiche und vor allem mehr Tiefe. Insgesamt war „Sehnsucht und Skandal“ durchaus gute Unterhaltung, auch wenn die Geschichte stilistisch als auch inhaltlich noch etwas ausbaufähig gewesen ist. Fazit Eine gute startende Geschichte im Regency-Zeitalter, die sich im Handlungsverlauf irgendwann aber leider ein wenig verrennt. Auch die Charaktere waren stellenweise etwas zu modern, dass es unglaubwürdig wirkte. Im Großen und Ganzen gute Unterhaltung, die ausbaufähig gewesen ist. Ich freue mich jedenfalls auf den zweiten Teil der „Somerset Chronicles“. 😊 Bewertung: 3,5 / von 5 Sternen