biancaneve66
Altes Schloss – große Geschichte Den ersten Sommer nach dem Mauerfall verbringt das Liebespaar Ella und René aus Ostdeutschland in Südfrankreich. Auf der Heimreise entdecken sie zufällig das heruntergekommene Hotel von Madame de Violet und übernachten spontan dort. Beim Abendessen sitzen daher Vertreter dreier verschiedener Schichten an einem Tisch: die sonderbare Hotelbesitzerin, der Stolz und Würde des alten Adels am Herzen liegt, deren Sohn Alain, der den Kapitalismus verkörpert und schließlich das ostdeutsche Pärchen, das sozialistische Werte mit sich bringt. Alain überredet René, mit ihm Paris zu besuchen und Ella bleibt auf dem Schloss, wo sie vom verschwiegenen Diener immer mehr über die Gräfin erfährt. Die hat allerdings ganz eigene Pläne … Fiele die kräftige Farbe nicht so ins Auge, wäre das Cover wohl eher unspektakulär. Weiß hervorgehoben ist das Wort „Paradiese“, und der Titel ist sehr passend zum Buch gewählt. Die Überschriften der Kapitel sind teils zweideutig, die Länge sehr leserfreundlich gestaltet. Der Autor beeindruckt in seinem Erstling mit einer wunderschönen und bildhaften Sprache. Die Beschreibungen nehmen den Leser sofort mit ins Buch; man spürt die sommerliche Hitze, schmeckt das Essen geradezu, sieht die Landschaft vor sich. Die Dialoge sind lebhaft und vor allem beim ersten Abendessen ein wahrer Schlagabtausch. Durch diesen ausgezeichneten Schreibstil werden auch einige Schwächen des Buches ausgeglichen, wenn es etwa um weniger nachvollziehbare Reaktionen der Protagonisten geht. Perspektivenwechsel geben dem Leser einen Einblick aus unterschiedlichen Sichtweisen und beleben dadurch die Handlung – in der eigentlich gar nicht so viel geschieht. Die Atmosphäre dieses Romans entsteht vor allem durch Rückblenden und Nebenhandlungen. Die Charaktere sind etwas überzeichnet dargestellt, insgesamt aber doch lebensecht. Sympathien betreffend kommen die weiblichen Protagonisten nicht so gut davon; zu kapriziös, zu unbelehrbar und festgefahren sind sie in ihrer Persönlichkeit. Ein Buch, das über Traditionen spricht, über Pflichtgefühl und Liebe, ja eigentlich über das Leben selbst und diese Themen doch mit einer Leichtigkeit zu einer empfehlenswerten Lektüre macht.